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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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und lauscht. Ihr Blick fällt auf einen Korridor, dessen Wände aus den gleichen, monströsen Steinquadern bestehen wie der Raum, der ihr Kerker war. Sie lauscht eine Minute, ohne zu atmen. Dann eine weitere Minute.
    Als alles ruhig bleibt, tritt sie einen Schritt von der Tür zurück und dreht sich um. Was sie sieht, schnürt ihre Kehle zusammen.
    An der Wand zu ihrer Linken kann sie das Regal erkennen, das ihr die Richtung zeigte. An der Wand rechts steht ein langer Holztisch mit Fesseln aus Stahl. Sam kann dunkle Flecken auf der Platte erkennen, bei denen es sich nur um ihr eigenes Blut handeln kann. Der alte Holzstuhl, den sie bei ihrem ersten Erwachen gesehen hat, liegt mitten im Raum, nur wenige Zentimeter neben einer glänzenden Pfütze. Über der Brühe kann Sam die dünnen Lederschnüre sehen, die von einem schweren, dunklen Balken von der Decke hängen.
    Sie sieht an sich hinab, betrachtet ihren verdreckten, nackten Körper und dreht ihre Hände vor den Augen. Die Fesseln haben tiefe Schnitte in den Gelenken hinterlassen. Sam kann frisches Blut erkennen, aber auch braunen, harten Schorf und Wundsekret, das sich wie eine dünne Schicht darüber gelegt hat. Ihre Hände vermitteln den bizarren Eindruck, als hätte sie ein schlechter Puppenmacher mit groben Stichen an die Arme genäht. Sam wirft einen letzten Blick in ihr Gefängnis und will sich gerade abwenden, als sie unter dem Tisch ihrer Vergewaltigung die Einkaufstüte aus dem Bekleidungsgeschäft erkennt. Sie will fort aus diesem Raum, fort von diesem Haus, in dem Bill sie wie ein Stück Vieh gehalten hat, doch der Anblick der Tüte ruft ihr ins Gedächtnis, dass sie nackt ist und friert.
    Mit schnellen Schritten läuft Sam zum Tisch, vermeidet jeden Blick auf die Holzplatte und die schwarzen Flecken darauf, und zieht die Tüte aus dem Versteck hervor. Diesmal kann sie ein helles Lachen nicht unterdrücken. Bill hat ihre Kleider wie Abfall in die Tüte gesteckt. Mit Sicherheit waren sie auch als solcher gedacht gewesen, so wie Sam zu Abfall geworden wäre, nachdem er mit ihr fertig war. Mit fahrigen Handbewegungen reißt sie ihre Hose, Unterwäsche und die weiße Bluse aus der Tüte. Ihr Slip ist ebenso zerrissen wie die Bluse. Bill muss sie ihr in zügellosem Verlangen vom Leib gerissen haben. Dennoch zieht sie die Sachen an und fühlt sich zum ersten Mal seit … wie lange war sie hier gefangen? … wieder als Mensch.
    Während sie die Hose zuknöpft, fällt ihr Blick auf die Wand hinter dem Tisch. Sie hält in ihrer Bewegung inne und starrt auf einen dunklen Schriftzug, der stümperhaft mit schwarzer Farbe auf den nackten Stein gepinselt ist. An einigen Buchstaben rinnen finstere Tränen an der Wand herab, was der scheußlichen Bedeutung der Worte eine zusätzliche, perverse Tiefe verleiht.

    Hurenfleisch, zur Ehre des Todes von Gott,
    dem Allmächtigen

    Sam spürt wie ihre Sicht von Tränen verschleiert wird. Die Worte sind im Dämmerlicht des Raumes kaum zu erkennen und doch brennen sie sich mit grausamer Intensität in Sams Gedächtnis ein.
    Mit den Tränen kommt der Hass. Eine Verbitterung, die sich zu heißer Wut steigert und ihre Gedanken klar und präzise werden lässt.
    Ihre Augen wandern noch einmal durch den Raum, während sie sich anzieht. Sie weiß, dass sie sich beeilen muss, doch eine kalte, psychische Ruhe hält sie aufrecht, wie Fäden eine Marionette halten. Die Hoffnung, ihre Waffe zu finden, erfüllt sich nicht. Die Lederjacke ist ebenfalls verschwunden.
    Einen letzten Blick auf die Fesseln werfend, wendet Sam sich ab und tritt in den Korridor hinaus. Eine tiefe Stille liegt über dem Gebäude. Die einzigen Geräusche stammen von ihren nackten Füßen auf dem harten Steinboden.
    Der Korridor führt zu einer Treppe, die direkt aus Felsgestein gemeißelt zu sein scheint. Ein verrostetes Geländer hängt locker in seiner Verschraubung. Sam wird an die Gewölbe eines mittelalterlichen Burgnachbaus erinnert, den sie als Kind mit ihrer Schulklasse einmal besichtigt hatte. Am Fuß der Treppe bleibt sie stehen und blickt nach oben. Sie kann einen steinernen Torbogen am Ende der Stufen erkennen und dahinter einen Raum, aus dem das graue Licht wie Sirup die Felsstufen herunter sickert.
    Sam greift nach dem Geländer und gerät ins Straucheln, als die Verschraubung sich aus dem Mauerstein löst und feiner Staub zu Boden rieselt. Erneuter Schwindel ergreift sie und lässt sie innehalten.
    So sehr sie sich auch auf ihren Körper und Verstand zu

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