Die Saat - Ray, F: Saat
Preis der Satire, ma chère!« Christian grinst, setzt sich und zeigt auf ihren Tee. »Hast du Magenschmerzen?«
»Fast schon vorbei. Weiter, was machen die bei der EFSA?«
Christian ruft die Internetseite auf und liest vor: »Die EFSA ist eine unabhängige europäische Behörde, die aus dem EU-Haushalt finanziert wird, aber unabhängig von derEuropäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedsstaaten handelt. Die EFSA wird von einem unabhängigen Verwaltungsrat geleitet, dessen ernannte Mitglieder im öffentlichen Interesse handeln und weder eine Regierung, eine Organisation noch eine Branche vertreten.« Er grinst. »Unabhängig wollen wir doch alle sein, oder?« Dann fährt er fort: »Der fünfzehnköpfige Verwaltungsrat erstellt den Haushaltsplan und so weiter, dann steht hier noch was über die Geschäftsführende Direktorin. Das hier könnte interessant sein, pass auf: Der wissenschaftliche Ausschuss und die wissenschaftlichen Gremien der EFSA bestehen aus hochqualifizierten Sachverständigen aus dem Bereich der wissenschaftlichen Risikobewertung.«
»So was war wohl unser Professor Frost«, bemerkt Camille und trinkt tapfer ihren Tee, doch ihre Magenschmerzen lassen sich davon nicht beeindrucken.
»Die Ernennung der Mitglieder erfolgt durch ein offenes Auswahlverfahren auf der Basis nachgewiesener wissenschaftlicher Kompetenz. Die wissenschaftlichen Gremien der EFSA führen Risikobewertungen in ihren jeweiligen Fachgebieten durch. Willst du das hören?« Er sieht auf.
»Klar, alles.«
»Okay, also: Es gibt Risikobewertungen für Folgendes: Lebensmittelzusatzstoffe, Aromastoffe, Verarbeitungshilfsstoffe und Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, Tiergesundheit und Tierschutz, biologische Gefahren, Kontaminanten in der Lebensmittelkette, Zusatzstoffe, Erzeugnisse und Substanzen in der Tierernährung – aha, hier: gentechnisch veränderte Organismen! Außerdem noch diätetische Produkte, Ernährung und Allergien, Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände, Pflanzengesundheit.«
»Klingt alles sehr vernünftig. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Frost wegen seiner Mitarbeit bei der EFSA hingerichtet wurde.« Camille schüttelt den Kopf.
»Also wegen seiner Tierversuche?«
»Aber Christian, welcher Tierschützer würde eine Ratte köpfen, hm?«
»Daran hab ich auch schon gedacht. Also Gegner der Genforschung …«
Sie geht zu Christian und stellt die Tasse auf seinen Schreibtisch. »Frost war mit Antibiotika und Nahrungsmitteln beschäftigt. Er hat weder Menschen geklont noch mehrköpfige Ungeheuer erschaffen! Er hat den Viechern Pillen oder sonst was gegeben und beobachtet, ob das Zeug sie umhaut oder nicht. Okay, als Tierfreund mag ich so was nicht, aber als Tierfreund köpfe ich auch keine Ratte.«
»Welche Spur wohl die Polizei verfolgt?« Christian nagt an seiner Unterlippe. Er fährt sich durchs Haar, plötzlich leuchten seine Augen. »Was hältst du davon, wenn wir unsere Talkshow am Samstagabend ummodeln?« Er hebt die Arme und hält eine unsichtbare Schlagzeile in die Luft. »Genforscher: Mordopfer der Ökobewegung?«
Camille weiß, wie viel Arbeit auf sie alle zukommen wird. Den monatlichen Sendeplatz für die Fernsehtalkrunde ParisCult haben sie durch die Beziehungen von Christians Vater ergattert. Wenn sie die Einschaltquote um zwei Prozent steigern könnten, ist die Sendung für das nächste halbe Jahr gesichert.
Sie zögert. »Heute ist Montag, Christian, und wir haben die Nummer für nächste Woche noch nicht fertig.«
»Egal, Camille, überleg mal, wir müssen das machen, wir müssen einfach! Dieser Mord verleiht den Diskussionen um die Genforschung eine ganz andere Dimension, ist dir das klar?«
Sein Gesicht glüht, ein echter Workaholic, kein Wunder, dass seine Frau manchmal die Krise kriegt, denkt Camille, aber seine Idee ist gut – und richtig. »Und wen willst du einladen?«
»Die, die am lautesten schreien.« Christian hämmert schon auf seine Tastatur. »Mal sehen, hier, Aminopur, das ist einer der Spitzenreiter in der Pharma- und Genforschung, wen hätten wir denn noch? Hier: Semena Crop, und hier: Edenvalley. Ich denke, wir fragen bei allen drei an. Edenvalley hat seine Hauptsitze in Genf und Atlanta, Semena Crop in Le Havre und Aminopur in Basel und in Tampa/Florida. Dann brauchen wir natürlich Vertreter der Ökobewegung.«
»Und der Kirche«, fügt Camille hinzu.
Christian sieht sie verblüfft an.
»Klar, die Kirche ist doch
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