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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Air-France-Schalter gekauft hat, schon abgerechnet.
    »Kein Gepäck?«
    »Nur Handgepäck.« Entschuldigendes Lächeln.
    Er denkt an den Memory-Stick in seiner Louis-Vuitton-Tasche. Mein Gott, den hätte er ihnen gegeben. Oder glaubt der Mörder, Nicolas hätte ihn in Frosts Labor gesehen? Ich hab dich nicht gesehen! Ich kenne dich nicht!, will er brüllen, aber dann würden sie sich sofort auf ihn stürzen, die Sicherheitsbeamten, die hier am Flughafen überall herumstehen.
    »Fensterplatz?«
    »Nein!« Er schreit fast. Die Vorstellung, dort an der Wand eingezwängt zu sein, treibt ihm den Schweiß auf die Stirn. »Gang, bitte.«
    »Gern«, beeilt sich die Angestellte zu bestätigen und schiebt ihm Ticket und Pass über den Tresen.
    Hastig steckt er alles ein und dreht sich im Weggehen verstohlen um. In der Reihe der Wartenden beobachten ihn viele Augenpaare, er wendet sich ab. Er kann die Menschen nicht mehr ertragen, aber das Alleinsein auch nicht. Eine Weile ausruhen. In Sicherheit sein, wieder schlafen, ohne Albträume. Das ist alles, was er will. Eilig drängt er sich in die Schlange vor der Handgepäckkontrolle, und plötzlich erinnert er sich, dass er Jean-Marie oft von Marc erzählt hat, so oft, dass Jean-Marie schon gefragt hat, warum er denn nicht zu ihm zieht. Weil ich mein Leben nicht zwischen Biorindern und Bioschweinen in Méautis verbringen möchte, hat er geantwortet. Und wenn Jean-Marie das dem Mörder gesagt hat?
    Er ist an der Reihe, legt Mantel und Tasche auf das Band. Die Geldbörse fällt ihm hinunter, so stark zittern seine Hände.
    Aber was ist dann mit Jean-Marie passiert? Er hat es sicher nicht freiwillig gesagt.
    Piepsen. Das rote Licht auf dem Metalldetektorrahmen leuchtet auf.
    »Monsieur, Ihre Uhr.«
    Fuck! Er kriegt das verfluchte Armband nicht auf!
4
    Immer wieder während der Heimfahrt hatte Ethan das verstümmelte Gesicht vor Augen, und es plagt ihn, dass er nicht die Polizei angerufen hat. Was sollte er Lorraine Kempf sagen? Was, wenn der Tote tatsächlich Nicolas ist? Er hat keine Antwort gefunden. Kurz vor Paris hat er noch überlegt, in einem Hotel zu übernachten, dann aber hat er sich doch für seine Wohnung entschieden. Er wollte duschen, etwas Frisches anziehen, seine Sachen um sich herum haben. Das leichte Schweben im Aufzug tut ihm gut, gibt ihm für Sekunden das Gefühl, in eine andere Welt unterwegs zu sein. Doch als die Kabine mit einem leichten Ruck anhält, ist dieses Gefühl vorbei. Im Halbdunkel der spärlichen Treppenhausbeleuchtung steuert er auf die Wohnungstür zu und zuckt zurück. Im Schatten kauert eine Gestalt. Sie hockt, an die Wand gelehnt, vor seiner Tür, die Arme um die angewinkelten Knie geschlungen, als würde sie frieren. Aamu, in einem Wollmantel wie ein Flickenteppich.
    »Was machen Sie hier?«
    Sie blickt zu ihm auf. Ihr blasses Gesicht über dem dicken Rollkragen. Ist es kalkweiß vor Kälte und Müdigkeit, oder liegt es am fahlen Licht? Er weiß nicht, ob er Mitgefühl haben oder sich belästigt fühlen soll.
    »Ich hab mir noch eine halbe Stunde gegeben, dann wär ich gegangen.« Aamu lächelt und steht langsam auf.
    »Warum haben Sie nicht angerufen?« Er sucht den Wohnungsschlüssel am Schlüsselbund, merkt, dass seine Hände zittern.
    »Hab ich, ich hab Ihnen wahrscheinlich den ganzen Anrufbeantworter vollgequatscht. Na, dann hab ich gedacht, er wird sich doch hoffentlich nichts angetan haben, und bin hierhergefahren.« Es klingt entschuldigend. Er hätte sie nicht so anfahren dürfen. Endlich hat er den richtigen Schlüssel gefunden.
    »Sie haben sich Sorgen um mich gemacht?«
    Sie zuckt leicht mit den Schultern, als würde sie sich deswegen schämen.
    Der Schlüssel steckt schon im Schloss, da hält er inne. »Woher wussten Sie, wo ich wohne?«
    Ein spitzbübisches Lächeln fliegt über ihr Gesicht. »Ich habe einfach auf der Station nachgefragt.«
    »Ach so.« Was hat er gedacht?
    Er entriegelt die beiden Schlösser, lässt ihr den Vortritt und realisiert überrascht, wie erleichtert er auf einmal ist, dass sie auf ihn gewartet hat. Sie lenkt ihn ab von den schaurigen Bildern in seinem Kopf.
    »Wollen Sie was trinken«, fragt er und will ihr den Wollmantel abnehmen, doch dann fällt ihm ein, dass er die Heizung nicht aufgedreht hat. Und jetzt spürt er selbst, wie kalt es ist. »Tee, Kaffee, Whisky, Wein …«
    »Whisky?«
    »Wenn Sie möchten.«
    Seit Scott hat er erst mal genug davon. Sie folgt ihm über die Marmorfliesen ins

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