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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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arabische Staaten und nach Großbritannien. Jeder vierte afrikanische Arzt arbeitet im Ausland. In Uganda kommen auf einen Arzt hunderttausend Patienten. Viele Ärzte verdienen noch nicht einmal so viel, dass sie ihre Miete zahlen können. Klingt gut, oder?

    Henrik stürzt den Rest Tee hinunter und klappt das Notebook zu. Zurück an die Arbeit. Leben retten. Was würden die Menschen hier nur ohne uns machen?
11  
Paris
    Seit drei Stunden irrt Ethan im Nieselregen durch die Straßen. Boulevard Saint-Michel runter, Boulevard Saint-Germain hoch, Abstecher in die Nebenstraßen. Er drängt sich durch die Menschenmengen, die die U-Bahn-Stationen an die Oberfläche entlassen, lässt sich mit ihnen über die Bürgersteige treiben, in Schuhläden, Bekleidungsgeschäfte, aus denen er wieder hinaustaumelt, noch benommener als zuvor. Ihm ist kalt. Sein Mantel schützt nicht mehr vor dem Regen, die Feuchtigkeit sickert langsam durch den Stoff. Sylvie hat so schnell gefroren. Er denkt an die Winterabende, als sie beide, eingehüllt in eine weiche Decke, zusammen auf der Couch gesessen und sich Geschichten aus ihrem Leben erzählt haben. An einerHauswand, gleich neben der Glastür zu einem exquisiten Schuhladen, bleibt er stehen, reißt eine neue Packung Zigaretten auf, zerknüllt das Zellophan und steckt es in die Manteltasche zu den Handschuhen. Der Menschenstrom zieht an ihm vorüber, zielstrebig und doch gedankenlos. Das Feuer wärmt ihm kurz die Hand, er saugt den Rauch tief ein. Da hört er sein Telefon läuten.
    »Hallo Ethan, störe ich dich beim Arbeiten?«
    Leon. Auch das noch. »Nein.«
    »Ich wollte nur mal nachfragen, wann du glaubst, dass du die Textprobe …«
    »Ich hab gerade keine Zeit …«
    »Kein Problem, ich melde mich einfach später …«
    »Ja.« Er legt auf. Es ist ihm egal, ob er ein nächstes Buch verkauft oder nicht.
    Zwei Stunden später ist er über Umwege zu seinem Haus gelangt. Dicht und dunkel haben sich die Regenwolken zusammengeschoben. Wasser tropft ihm aus den Haaren in die Stirn und brennt in den Augen. Mit steifen Fingern fummelt er den Hausschlüssel aus der Manteltasche. Alle Fenster über ihm sind dunkel, als würde niemand hier wohnen. So hat er das Haus noch nie empfunden. So verlassen und kalt. Eine Bewegung im Schatten der Tür lässt ihn zurückzucken. Vor dem Dunkel hebt sich das blasse Gesicht von Aamu ab.
    »Sie? Macht es Ihnen Spaß, so im Regen rumzustehen?«, fragt er nicht besonders freundlich.
    Sie weicht zurück in den Schutz des Eingangs. »Nein, mir ist kalt, aber … Ich hab Ihnen eine SMS geschickt«, sagt sie entschuldigend. Auch aus ihrem Haar tropft Wasser.
    Er zieht sein Handy aus der Tasche. Reden wir wieder?, sagt das Display.
    »Ich war gerade in der Nähe, und … Aber ich kann auch wieder gehen, ich will nicht, dass Sie denken, ich belästige Sie.«
    Ihm ist kalt, er will nicht diskutieren, er könnte sie wegschicken, aber sie hat auf ihn gewartet, und er will nicht herzlos sein.
    »Das denke ich nicht.« Oder doch? Warum finde ich das verdammte Schlüsselloch nicht? Endlich. Er stößt die Tür auf, macht das Licht an. Es beleuchtet das Treppenhaus nur schwach und lässt den Aufzug in der Mitte wie einen Käfig aussehen.
    »Haben Sie was Neues rausgekriegt?«, fragt sie. Ihre Lippen sind bläulich verfärbt.
    Er zögert mit der Antwort, weiß nicht, ob er sie ins Vertrauen ziehen soll. Doch dann ist etwas stärker in ihm. »Es war womöglich kein Selbstmord«, sagt er und schiebt die Gittertüren auseinander.
    »Dr. Harris wurde ermordet?« Ihre hellen Gletscheraugen weiten sich.
    »Könnte sein.«
    Der Aufzug beginnt zu summen und nach oben zu schweben. Sie starrt auf den Boden. Der Aufzug hält federnd an, Ethan faltet die Türen zur Seite.
    »Und was wollen Sie jetzt unternehmen?«, fragt sie.
    Er weiß, dass er noch nie etwas so ernst gemeint hat: »Ich will wissen, wer es war.« Und wenn das Kind nicht von mir war?
    Als er den Schlüssel ins Schloss stecken will, stellt sie sich ihm in den Weg. »Darf ich Ihnen dabei helfen?«
    Es ist meine Angelegenheit, oder? »Und Ihr Studium?«
    Schulterzucken, flüchtiges Lächeln. »Das läuft schon.«
    Er zögert. Warum? Mag sie mich? Mochte sie Sylvie?
    »Warum engagieren Sie sich so?«, fragt er, die Tür schon einen Spaltbreit geöffnet. Sie steht jetzt ganz nah vor ihm, sie riecht nach nasser Wolle.
    »Trauen Sie mir nicht?«, fragt sie.
    Was soll er sagen? Wir kennen uns doch gar nicht?
    »Wissen Sie«,

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