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Die Sache mit dem Ich

Die Sache mit dem Ich

Titel: Die Sache mit dem Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fischer
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sie wie die Ameisen gleich weiter zu den Erfolgsgalerien Gagosian, Hauser & Wirth, Zwirner, Contemporary Fine Arts, Deitch, Gmurzynska oder neugerriemschneider, um sich die Damien Hirsts, Peter Doigs, Daniel Richters, Jonathan Meeses, Sergej Jensens und Elizabeth Peytons anzugucken, deren Preise täglich steigen. Dringende Fragen: Gehen die drei Neo Rauchs schneller weg als der Jonathan Meese oder das Robinson-Crusoe-Bild von Peter Doig? Gehen die Deutschen überhaupt noch oder sind jetzt die Bildhauer aus L. A. dran? Gibt’s bei Gavin Brown dieses Jahr wirklich nur die leere fliegende Camel-Packung von Urs Fischer zu sehen und wenn ja, ist sie eher ein Protest gegen den Kunstmarkt oder das Rauchverbot hier? Spätestens seit letztem Jahr reden immer mehr Kritiker von der Blase, die langsam mal platzen müsse, bis jetzt aber wird sie immer nur größer und elastischer, ein rosa Kaugummi, wie die Art-Deco-Hotels in der Collins Avenue, in der alle Gäste untergebracht sind, damit sie auf dem Weg in die Bars keine volltrunkenen Autounfälle bauen. Höchstwahrscheinlich sind die Kritiker nur neidisch, weil sie nicht rechtzeitig in Britart oder Neue Leipziger Schule investiert haben. Für die sieht’s auch dieses Jahr wieder ganz gut aus – jedenfalls wirkt Gerd Harry Judy Lybke von Eigen+Art, der Galerie, die für den Aufstieg der Neuen Leipziger Maler verantwortlich ist, entspannt inmitten all des Geflirres um ihn. Während die anderen bangen, erzählt er lieber Frauengeschichten vor seiner Martin-Eder-Leinwand, auf der zwei nackte Mädchen Wassermelone essen. Eder verkooft sich eh, und für morgen hat er noch einen Neo Rauch in Reserve.
    Dann, während ich mir bei White Cube gerade den Damien Hirst ansehe (»Between the wars«, 2006, butterflies on household gloss on canvas), steht plötzlich Jay-Z mit seiner Freundin Beyoncé da und sucht was fürs Schlafzimmer. Chefgalerist Jay Jopling, der jeden zweiten britischen Popstar berät, führt die beiden herum, aber gegen Beyoncés Glitter wirken selbst Hirsts Schmetterlinge stumpf wie Sichtbeton. Man will sie sofort anfassen, will sie haben, Beyoncé. Jay-Z dagegen wirkt etwas gelangweilt, wie er da mit den Taschen in den Händen rumsteht.
    »Der Hirst ist natürlich ein Hammer«, sagt Jopling und zeigt auf die Schmetterlinge. »Ich halte den hier für einen seiner besten.«
    »Wie viel?«, fragt Jay-Z irgendwann.
    »Mhmhmnhmpoinnhmdmn«, flüstert Jopling. 1,25 Millionen Britische Pfund, soll ich später herausfinden.
    »Elton John hat so einen«, sagt Jopling, der Fuchs, und zeigt auf »Black door with sash, 2006, gloss paint on aluminium«.

    Jay-Z wacht ein wenig auf. Elton John, das ist nicht irgendwer, mit dem wäre noch mal eine Kollaboration vorstellbar. Oder eine Cover-Version, falls die Zeiten mal schlechter werden sollten.
    »Echt? Wie viel?«
    »Mmhmmmmmhdmdhmmssbhs.«
    Jay-Z sieht den Hume an, den schlierigen, schwierigen, schönen. Dann sieht er Beyoncé an, die den Hume, sie nickt, Jay flüstert Jopling was zu, der nickt, dann sind die beiden schon wieder weg, verschluckt von Bildernbildernbildern.
    So wie sie machen’s die meisten der Prominenten hier. Richtig viel Ahnung hat kaum einer, stattdessen suchen sie die Galerien, von denen sie wissen, dass dort vorher auch schon Stars gekauft haben, und nehmen da vielleicht auch was mit. So macht es Keanu Reeves, der ein Richard-Serra-Fan sein soll; so machen es Russell Simmons und Kanye West, die den schwarzen Bling-Bling-Maler Kehinde Wiley unterstützen; so macht es auch Barbara Becker, sehr sexy in engen Jeans und umgeben von ihren allesamt geschiedenen Sportstarexfrauenfreundinnen, die noch nicht genau weiß, was sie will. Die Galerien sind die Gucci-Boutiquen von heute, nur 1252647748 Mal so teuer und eher Haute Couture als Prêt-à-porter.
    Und so mache auch ich es, der jetzt vor »Black door with sash« steht, als sexy Sammler, um sich von Joplings White-Cube-Kollegin Daniela beraten zu lassen und Jay-Z irgendwie dazwischenzufunken.
    »Was kostet denn der Hume hier?«
    »Er ist toll, nicht wahr?«
    »Ja. Schwer, aber trotzdem leicht, I like it.«
    »Sie sammeln? Was haben Sie denn schon?«
    »Einen, äh, Warhol, einen Richter, einen Hirst. Stehe noch am Anfang.«
    »Einen Hirst? Toll, welchen denn?«
    »Den, ähm, mit den vielen bunten Punkten.«

    Spätestens jetzt muss sie mir glauben: von nix ne Ahnung, aber mehr Geld als rote Blutkörperchen, das kennt sie ja.
    »›Capric Anhydide‹?«
    »Genau.

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