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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Überwindung, bevor er zurückfragte: »Und wie alt bist du?«
    »Fünfzehn. Habt ihr Hunger?«
    »Ja.«
    »Dann kommt mal mit.«
    Aliena voran, verließen sie den Saal und stiegen die Außentreppe hinunter. Alfred sagte: »Aber es gibt doch erst Frühstück, wenn die Messe gelesen ist.«
    »Wann es hier was gibt, bestimme ich«, erwiderte Aliena mit einer herrischen Kopfbewegung.
    Sie führte die Kinder über die Zugbrücke in den unteren Ring und ließ sie vor der Küche warten. »Ist sie nicht hübsch?«, flüsterte Martha Jack zu, und der nickte verträumt. Kurz darauf kehrte Aliena mit einem Weißbrot und einem Krug Bier zu ihnen zurück. Sie brach einige große Brocken ab und verteilte sie, dann ließ sie den Bierkrug kreisen.
    Nach einer Weile fragte Martha schüchtern: »Wo ist denn deine Mutter?«
    »Meine Mutter ist tot«, erwiderte Aliena kurz angebunden.
    »Bist du nicht traurig darüber?«
    »Ich war traurig. Aber es ist schon lange her.« Sie verwies auf den Jungen neben ihr. »Richard kann sich gar nicht mehr an ihren Tod erinnern.«
    Richard muss ihr Bruder sein, dachte Jack.
    »Meine Mutter ist auch tot«, sagte Martha, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
    »Seit wann?«, fragte Aliena.
    »Sie starb vorige Woche.«
    Marthas Tränen scheinen sie kaum zu rühren, dachte Jack, es sei denn, sie gibt sich so streng, um ihren eigenen Kummer zu verbergen.
    »Was ist das dann für eine Frau bei euch?«, fragte Aliena brüsk.
    »Das ist meine Mutter«, sagte Jack, ganz begeistert darüber, dass es etwas gab, was er ihr sagen konnte.
    »So? Und wo ist dein Vater?«
    »Ich habe keinen Vater.« Wie aufregend es war, dass die Prinzessin mit ihm sprach!
    »Ist er auch tot?«
    »Nein«, sagte Jack. »Ich habe niemals einen Vater gehabt.«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann prusteten Aliena, Richard und Alfred plötzlich vor Lachen. Jack wusste nicht, wie ihm geschah, und starrte sie mit offenen Augen an. Aber ihr Gelächter wurde immer lauter, sodass er sich schließlich gedemütigt fühlte. Was ist daran so komisch, dass ich nie einen Vater gehabt habe, fragte er sich. Selbst Martha hatte ihre Tränen vergessen und lächelte auf einmal.
    »Und woher kommst du dann, wenn du nie einen Vater hattest?«, fragte Alfred höhnisch.
    »Aus meiner Mutter. Alles, was jung ist, kommt aus den Müttern.« Jack war völlig verstört. »Was haben denn Väter damit zu tun?«
    Jetzt brüllten die anderen schier vor Lachen. Richard hüpfte vor lauter Vergnügen auf und ab und zeigte mit dem Finger auf Jack. Alfred sagte zu Aliena: »Der hat keine Ahnung. Wir haben ihn im Wald aufgelesen.«
    Jacks Wangen brannten vor Scham. Es war so schön gewesen, mit Aliena sprechen zu können – und nun hielt sie ihn für den größten Narren, einen Dummerjan aus dem Wald. Das Schlimmste aber war, dass er einfach nicht verstand, was für einen Fehler er gemacht hatte. Er hätte losheulen können, wollte es auch, aber ein Stück Brot steckte ihm im Hals, und er bekam es nicht herunter. Er sah Alienas belustigte Miene und konnte es nicht mehr ertragen. Wütend warf er sein Brot auf den Boden, drehte sich um und lief davon.
    Irgendwohin – nur fort! Er erreichte den Wall, der die Burganlage umgab, und kletterte mühsam die steile Böschung hinauf. Oben angelangt, setzte er sich auf die kalte Erde, ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen und bemitleidete sich selbst. Er war furchtbar wütend auf Alfred und Richard, sogar Martha und Aliena waren ihm auf einmal verhasst. Prinzessinnen sind herzlos, dachte er.
    Die Glocke läutete zur Frühmesse. Gottesdienste waren auch so eine rätselhafte, merkwürdige Angelegenheit. Die Priester sprachen und sangen in einer Sprache, die weder Englisch noch Französisch war, und schienen sich dabei an Statuen und Bilder zu wenden oder gar an gänzlich unsichtbare Wesen. Seine Mutter vermied Gottesdienste, wann immer es ihr möglich war. Als Jack sah, wie unter ihm die Bewohner der Burg zur Kapelle strömten, huschte er über die Wallkrone und hockte sich auf die Außenböschung, wo man ihn nicht mehr sehen konnte.
    Die Burg war von ebenen, kahlen Feldern umgeben, die am Horizont von Wäldern begrenzt wurden. Zwei frühe Besucher kamen über das flache Vorfeld auf die Burg zu. Der Himmel war mit tief hängenden grauen Wolken bedeckt. Vielleicht gibt es bald Schnee, dachte Jack.
    Zwei weitere Neuankömmlinge, Reiter diesmal, rückten in sein Blickfeld. Sie waren so schnell, dass sie die ersten

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