Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
doch dessen Mut überwog seine Klugheit, sodass er unverdrossen weiterkämpfte.
Plötzlich verlagerte sich das Geschehen zur linken Seite hin. William blickte sich um und sah, dass die flämischen Söldner aus dem Hinterhalt über die Waliser herfielen, die notgedrungen von der Verfolgung der Bretonen abließen und sich ihrer eigenen Verteidigung widmeten. Einige Zeit ging alles drunter und drüber. Dann griff Ranulf von Chester aus der Mitte der feindlichen Front die Flamen an, die sich plötzlich von zwei Seiten attackiert sahen.
Stephan, des Getümmels gewahr geworden, trieb nun seine eigenen Mannen zum Nachrücken an, und William begann, an der Weisheit von Ranulfs Entscheidung zu zweifeln. Sollte es den Männern des Königs gelingen, zu Ranulf und seiner Truppe aufzuschließen, so würde diesmal Ranulf von zwei Seiten in die Zange genommen.
Dann stürzte, direkt zu Williams Füßen, einer seiner eigenen Ritter zu Boden, und im nächsten Moment befand er sich inmitten des Kampfgeschehens.
Ein grobschlächtiger Mann aus dem Norden ging mit blutverschmiertem Schwert auf ihn los, doch William parierte den Stoß mit Leichtigkeit: Sein Angreifer war bereits abgekämpft, er hingegen ganz frisch. William stieß nach dem Gesicht des Mannes, verfehlte sein Ziel und parierte einen weiteren Schlag. Er hob sein Schwert in die Höhe und gab seine Deckung absichtlich preis; sobald der Mann, wie erwartet, wieder zum Angriff überging, wich William zur Seite und ließ sein Schwert mit aller Macht auf die Schulter des Mannes niedersausen. Der Hieb durchschlug seines Gegners Panzerhemd und brach ihm das Schlüsselbein; er stürzte zu Boden.
Zu seiner Rechten entstand plötzlich Gedränge, sodass sich einer seiner beiden Gegner abwenden und gegen einen rotgesichtigen, mit einem Hackebeil bewaffneten Mann zur Wehr setzen musste, der aussah wie ein irrsinnig gewordener Schlachter. Damit blieb William nur noch ein Gegner. Bösartig grinsend ging er auf ihn los. Der Mann, von Panik ergriffen, schlug blind nach Williams Kopf. William duckte sich und trieb seine Schwertspitze genau unterhalb des kurzen Kettenhemdes in den Oberschenkel des Mannes. Das Bein knickte ein, und der Mann stürzte zu Boden.
Und wieder stand William ohne Gegner da. Schwer atmend blieb er stehen. Einen Moment lang hatte er schon gedacht, das königliche Heer sei zersprengt worden, aber es hatte sich wieder gesammelt, und derzeit schien weder die eine noch die andere Seite an Boden zu gewinnen. Er wandte sich nach rechts, um zu sehen, wer den Angriff geführt, der einen seiner Gegner abgelenkt hatte, und stellte verblüfft fest, dass es die Bürger von Lincoln waren, die sich einen erbitterten Kampf mit dem Feind lieferten. Vermutlich glaubten sie, Heim und Herd verteidigen zu müssen. Aber wer hatte sie, nachdem die Grafen das Weite gesucht, so eilig aufgeboten? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Zu seinem großen Missfallen sah er, wie Richard von Kingsbridge auf seinem Schlachtross die Bürger anfeuerte. Williams Zuversicht welkte dahin. Wenn der König sah, wie tapfer sich Richard schlug, war all seine Mühe womöglich umsonst gewesen! Williams Blick suchte Stephan. Im selben Augenblick, da er ihn entdeckte, fiel Richard dem König auf, und Stephan winkte ihm ermunternd zu. William äußerte seinen Unmut in einem grollenden Fluch.
Der Angriff der Stadtbewohner verschaffte dem König eine Atempause, wenngleich nur eine kurze. Dann hatten auch schon Ranulfs Mannen die Flamen auf dem linken Flügel in die Flucht geschlagen, und Ranulf konnte sich der Mitte zuwenden. Gleichzeitig sammelten sich die sogenannten Entrechteten zum Angriff auf Richard und die Bürger von Lincoln, und der Kampf entbrannte erst richtig.
William sah sich plötzlich einem wahren Hünen mit einer Streitaxt gegenüber. Verzweifelt wich er dem Angriff aus, urplötzlich um sein Leben fürchtend. Jeder Hieb trieb ihn ein Stück zurück, und dann erkannte er entsetzt, dass nicht nur er, sondern die gesamte königliche Armee gleichermaßen zurückwich. Von links kamen die Waliser wieder den Hügel herauf und fingen erstaunlicherweise an, mit Steinen zu werfen. Das mochte lächerlich anmuten, verfehlte aber seine Wirkung nicht, denn nun musste William sich nicht nur gegen den Riesen und dessen Streitaxt zur Wehr setzen, sondern auch noch die Wurfgeschosse im Auge behalten. Auf einmal schien es nur so von Feinden zu wimmeln, und William ahnte verzweifelt, dass sie den Männern
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