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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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würgte er, bis nichts mehr kam, und blieb danach noch eine Weile zitternd liegen. Kalter Schweiß tropfte ihm von der Stirn.
    Aber er hatte keine Zeit, darauf zu warten, bis er sich erholt hatte. In diesem hilflosen Zustand musste nur ein Sklave oder ein Priester eintreten, den Mord entdecken– und dann? Er war nicht in der Lage zu kämpfen.
    Mühsam rollte Tahan sich auf die Knie. Mit gebrochenen Augen stierte der Tote an die Decke. Benommen, kaum fähig sich zu rühren, kletterte der Prinz über ihn hinweg und schob die Leiche unter den Tisch. Eine der Kerzen hatte ein Feuer entfacht, das sich träge zuckend über den Teppich fraß. Mit dem schwarzen Tuch schlug Tahan die Flammen aus– seine Hände bebten so sehr, dass er es kaum halten konnte–, dann breitete er es erneut über den Tisch und zog die Enden so herunter, dass sie den toten Meister verdeckten. Ungeschickt drapierte er die Kerzen so wie vorher. Jetzt erst drehte er sich um und stand Noan gegenüber, der von seiner gläsernen Zelle aus alles beobachtet hatte.
    Â» Oh nein « , formten seine Lippen. » Oh nein, Tahan! «
    Die Tür der Glaskammer ließ sich auch jetzt, nach dem Tod des Hohepriesters, nicht öffnen. Tahan gestattete sich einen einzigen kurzen Moment der Schwäche, lehnte die Stirn gegen das von den Flammen geschwärzte erhitzte Glas, und atmete tief durch. Dann wandte er Noan den Rücken zu und stolperte aus dem Raum.
    Er durfte nicht torkeln, nicht fallen. Schwarze Schlieren waberten vor seinen Augen, machten ihn blind. Nein, er durfte der grenzenlosen Erschöpfung nicht nachgeben. Er durfte auch nicht darüber nachdenken, was er getan hatte. Niemand tötete einen Priester oder einen Mönch. Sogar die Geringeren Götter wachten höchst eifersüchtig über ihre Diener. Er hätte die Hohe Göttin Findalia um Verzeihung anflehen müssen, solange sie ihn noch nicht zerschmettert hatte, aber er hatte früher nicht zu ihr gebetet, und er würde es auch jetzt nicht tun.
    Du bist der Richtige, hörte er Ralnirs Stimme. Der Held, der die Götter herausfordert. Der Held, der sich nicht aufhalten lässt.
    Es fühlte sich an, als hätte er sich die Haut von der Seele gerissen. Verdammt, warum wandte sich dieser verdammte Fluch sogar dann gegen ihn, wenn er sich aufopferte, um sein Heldentum vor den Feinden zu schützen? Singendes Schwert kämpfte für Terajalas, und er wäre lieber vor jedem erbärmlichen Sinor des Heeres auf die Knie gefallen, als Prinzessin Hamyjane und ihren Handlangern zu dienen.
    Als ihm vier Priester auf der Brücke entgegenkamen, machte er ihnen Platz, drückte sich eng ans Geländer. Ein Seitenblick traf ihn, zum Glück war er zu unbedeutend, um angesprochen zu werden. Hastig tupfte er sich mit dem Ärmel über die Stirn. Bisher hatte niemand den Meister gefunden, sonst wären die Wachen alarmiert gewesen. Er hatte weder ein Horn rufen hören noch war sonst eine besondere Unruhe zu spüren.
    Die Zähne zusammenbeißen… Ruhe bewahren.
    Jeder Schritt war ein Kampf. Der Schmerz wirkte immer lange nach, sehr lange, und ein Schmerz wie dieser erst recht. Jeder Atemzug war ein kleiner Tod, jede Bewegung eine Qual.
    Endlich erreichte er das Gemach im mittleren Turm, in dem Hamyjane ihn untergebracht hatte. Ein bitterer, erdiger Duft wehte ihm entgegen, als er die Tür öffnete. Die Prinzessin war da, sie thronte inmitten der Kissen und Decken, die Banoapfeife neben sich.
    Ihm wurde wieder schwarz vor Augen, gerade rechtzeitig konnte er sich an der Wand abstützen und riss den Behang mit zu Boden, als er fiel.
    Â» Bei den Göttern, Tan! Was ist los? «
    Er verbarg den Schmerz und die Schwäche und die Furcht hinter einem heiseren Lachen. » Ein Glas Wein zu viel. «
    Â» Aber Tan, Wein und Banoa vertragen sich nicht miteinander, das weißt du doch. «
    Â» Mein Fehler. « Er taumelte auf das Bett zu. Banoa. Banoa konnte ihm helfen, es schärfte die Sinne, weckte den Geist. » Darf ich? « Er widerstand dem Drang, ihr die Pfeife aus den Fingern zu reißen, dem Wunsch, die zitternden Hände um ihren schlanken Hals zu schließen.
    Ihr habt mich benutzt!, wollte er ihr entgegenschmettern, stattdessen lächelte er zerknirscht und wartete, bis sie ihm die Pfeife reichte. Er nahm einen tiefen Atemzug, bittere Asche mischte sich in die dumpfen Nachklänge des Schmerzes.

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