Die Saeulen der Macht
Aufzählung seiner Taten, der echten und der erfundenen. Tahan machte sich nie die Mühe, die Geschichten, die man sich über ihn erzählte, zu leugnen. Die Aufmerksamkeit hübscher Mädchen zu erringen war das Wichtigste, und ob man Heldentaten oder Untaten übertrieb, lief auf das Gleiche hinaus.
Ungeniert musterte Tahan die Mädchen, die durch die von Lish und Zandarians Diener bewachte Tür schlüpften. Natürlich konnten die Provinzmädchen rassigen Schönheiten wie Meruna nicht das Wasser reichen, dafür waren sie, wenn er Glück hatte, um einiges naiver. Gerade weil sie hier so eifersüchtig behütet wurden, waren sie anfällig für Ereignisse wie diesesâ was in Ghi Naral Alltag war, war hier der Höhepunkt des Jahres. Die richtige Musik und ein wenig Banoa sorgten dafür, dass Mädchen übermütig wurden, ihre Anstandsdamen anschwindelten und sich einen Kuss stehlen lieÃen oder auch mehr.
Musik, Mädchen, Tanz, Wein, gutes Essen. Mehr brauchte es nichtâ jedenfalls hatte Dasnaree das wohl gedacht. Sonst hätte er nicht so überrascht die Augen aufgerissen, als Tahan ihm einen Becher hinschob, in dem nicht roter Wein schimmerte, sondern eine trübe schwarze Flüssigkeit, in der sich das Licht der unzähligen Kerzen und Leuchter nicht spiegelte. Weder Lichtfunken noch Schatten störten das abgrundtiefe Dunkel in dem bauchigen GefäÃâ es war, als wäre ein Stück der Nacht darin gefangen.
» Was ist das? « , fragte der Junge entsetzt. » Es riecht wie⦠ich weià nicht, es stinkt. Faul und alt. «
» Ich glaube, du weiÃt ganz genau, was das ist. Nimm einen Schluck. «
» Schwarzes Wasser? Das ist nicht dein Ernst, Tahan. Seit wann haben wir das hier auf der Burg? Oder hast du es etwa mitgebracht? «
Tahan versuchte, sein verächtliches Lächeln in ein freundliches umzuwandeln. » Man muss nur die richtigen Fragen stellen. « Vorsichtshalber senkte er die Stimme, als er hinzufügte: » Wo viel gegraben wirdâ und das ist in der Gegend hier natürlich der Fallâ, gibt es immer auch jemanden, der etwas davon zur Seite schafft. «
Der Junge strengte sich so sehr an, die Worte zu verstehen, dass sein groÃer Kopf nahezu knirschte. » Du meinst, unsere eigenen Arbeiter graben es aus? Bei der Gewinnung der Rohstoffe zur Glasherstellung? «
» Auf den Punkt gebracht, lieber Vetter. «
Graf Zandarian wirkte wie ein selbstbewusster Draufgänger, aber Eingeweihte erkannten die Wirkung des Banoa sofort. Dasnaree musste auch nicht wissen, dass damit das Geheimnis der angeblichen Freunde gelüftet war. Bei der Menge an Banoa, das im Umkreis von Burg Ameer aus der Erde geholt wurde, war ein schwunghafter Handel damit entstanden, an dem eine ganze Reihe Leute gut verdiente.
» Probier es « , forderte Tahan den Jungen auf. » Nimm einen kräftigen Schluck. «
» Aber⦠ist das nicht verboten? «
Der Prinz seufzte.
» Na schön, her damit. « Der Junge gab sich tapfer und nippte an dem trüben Gebräu. Dann hustete er, die Tränen stiegen ihm in die Augen, und er stieà einen heftigen Fluch aus, den Tahan ihm gar nicht zugetraut hätte.
» Niemand hat je behauptet, es würde gut schmecken « , sagte er nachsichtig.
» Und das trinkst du freiwillig? «
» Es kommt nur auf das Ergebnis an. Das schwarze Wasser bringt deine Gedanken zum Glänzen und dein Blut zum Kochen. Setz dich hin und spiel die Laute, und danach sprich das Mädchen an, das du schon immer mal näher kennenlernen wolltest. «
Sofort ruckte Dasnarees Kinn in eine bestimmte Richtung. » Arinee « , flüsterte er.
Am hinteren Ende eines der langen Tische saà ein Mädchen, das Tahan noch gar nicht bemerkt hatte. Auf den ersten Blick wirkte sie schüchtern und unscheinbar, auf den zweiten war sie die Einzige, für die sich dieses Fest gelohnt hatte. Das blasse Gesicht unter dem dunklen Haar war süà und herzförmig, ihre Augen waren voller Unschuld und Staunen.
Eine Blume, dachte er. Eine Schneeflocke, die in der Hand schmilzt. Ja, es soll meine Hand sein. Tahan merkte, wie sie erschauerte, als hätte sie seinen Entschluss gespürt.
» Entzückend « , sagte Zandarian munter. » Die kleine Arinee. Sie ist die Tochter eines Stadtherrn, der mit Fürst Ameer in den Krieg gezogen ist. Unser lieber Dasnaree himmelt
Weitere Kostenlose Bücher