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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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spürte das Gewicht seines Schwerts. Es juckte ihn, danach zu greifen, aber er hielt sich zurück. Stattdessen hob er einen kleinen Stein vom Waldboden auf und warf ihn auf die flimmernden Umrisse der Bestie. Mit einem harten Klirren prallte er ab.
    Tahan rannte um sein Leben.
    Das Tier war zu groß, um richtig schnell zu sein– hatte er jedenfalls gedacht. Dieser Teil des Waldes war dicht von Unterholz bewachsen, zahlreiche umgestürzte Baumstämme und herausgerissenes Wurzelwerk erzählten vom letzten Sturm. Während Tahan wie der Blitz durch gefällte Kronen kletterte, Stämmen und Dorngebüsch auswich und mit klopfendem Herzen über Gräben und Rinnsale sprang, mähte das Ungeheuer alles nieder. Erde und Steine stoben durch die Luft. Alle kleineren Tiere sprangen aus ihren Verstecken, lebendige wie gläserne, und hetzten vor ihnen her. Hakenschlagende Hasen, springende Rehe, flatternde Fasane. Es war wie bei einem Waldbrand, während sie alle vor der Riesenbestie flohen. Ihr Brüllen hatte etwas Gläsernes, Schwingendes, wie der Klang einer aus Glas gefertigten Glocke.
    Doch das Tier zersprang nicht, während es gegen die Bäume schlug. Holz splitterte hinter Tahan, eine mächtige Fironie brach durch die Wipfel und krachte dicht neben dem Fliehenden auf die Erde; eine Wolke spitzer violetter Nadeln stob auf.
    Er rannte.
    Dass er den Weg kannte, den Noan und der Erkundungstrupp nehmen wollten, war kein Zufall. Tahans Jagdberichte hatten in letzter Zeit ständig seltsame Entdeckungen enthalten– Spuren, die ihm komisch vorgekommen waren, Zeichen, die auf helstenische Spione hindeuteten. Einmal hatte er sogar eine Falle mitgebracht, die unzweifelhaft von den Feinden stammte. Dass er sie an einer ganz anderen Stelle gefunden hatte, verschwieg er wohlweislich. Lügen war nicht dasselbe wie Ungehorsam; diese kleine Freiheit ließ ihm der Fluch, und er nutzte sie so oft wie möglich aus.
    Als ihm die leisen Stimmen der Männer entgegenwehten, unterdrückte er ein Lachen– wie töricht, in diesem Wald Lärm zu machen! Sie führten dem Siljalinion den Wald vor, um den sie kämpften, statt auf der Hut zu sein. In ihrer Arroganz hielten sie sich für gewappnet, um vereinzelten Feinden oder Glasbestien zu begegnen.
    Nun, das bezweifelte er.
    Tahan verbarg sich hinter einem gewaltigen Baum und hielt still, während das Ungeheuer an ihm vorbeistapfte. Nur wenig später zerriss der erste Schrei die Ruhe des Waldes.
    Er wartete. Horchte. Ließ ihnen eine Weile Zeit, um ihr Leben zu kämpfen.
    Dann erst schlich er vorsichtig näher. Die fliehenden Tiere hatten einige der Soldaten umgerannt und mit ihren Krallen so schwer verletzt, dass diese sich am eigentlichen Kampf nicht mehr beteiligen konnten. Die übrigen Wachleute und die anwesenden Sinors hatten ihren jungen Befehlshaber in die Mitte genommen, um ihn zu schützen. Während ein Teil von ihnen von den kleineren Tieren bedrängt wurde, fegte die große Bestie einen nach dem anderen zur Seite. Noan stand breitbeinig da, mit gezücktem Schwert, und brach aus dem Ring seiner Wächter aus, um mitzukämpfen. Ein Drückeberger war er nicht, das musste man ihm lassen.
    Tahan wusste, dass ein einziger Kratzer einen gesunden, starken Mann das Leben kosten konnte, dennoch wartete er im Schutz der Deckung ab, was passierte. Noan zu früh zu helfen brachte nichts. Also verfolgte Tahan gespannt, wie der Kampf sich entwickelte. Simple Schwertstreiche vermochten nichts auszurichten. Es war, als bestünde das Ungeheuer nicht aus Glas, sondern aus Eisen. Die Klingen prallten ab, verbeulten. Splitter flogen durch die Luft und verletzten die Verteidiger. Noan wandte klugerweise das Gesicht ab, während er nach einer der unsichtbaren Tatzen hieb, aber dann musste auch er zurückspringen und sich in Sicherheit bringen.
    Einen Moment lang herrschte Stille. Die Sonne verschwand mit einem letzten Aufglühen hinter den Wolken, und mit ihr verblichen die Umrisse der gläsernen Figur. Es war noch zu früh für den Einbruch der Nacht, dennoch war es plötzlich so finster, dass Tahan außer ein paar dunklen Schemen nichts mehr erkennen konnte.
    Â» Wo ist es hin? « , schrie einer der Soldaten. » Wo…? « Er kreischte auf, etwas Schweres flog krachend durch die Äste.
    Wieder Stille. Das Rascheln von Stiefeln, die unbehaglich hin und her traten, schien ohrenbetäubend

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