Die Säulen der Schöpfung - 13
niemals aus dem Sumpf schleppen, aber selbst wenn ich es versuchen wollte oder mir ein anderer helfen würde, würden mich diese durch meine eigenen Kräfte erschaffenen Bestien in Stücke reißen. Ich kann sie nicht zurückpfeifen, nicht einmal, um mich selbst zu retten. Er hat mir einen Pfad gelassen, vor dem Haus, damit Proviant und andere Vorräte hergebracht werden können und ich die Gewißheit habe, alles zu bekommen, was ich brauche. Friedrich mußte hier, an dieser Stelle, ein Heim für uns bauen, weil ich diesen Ort niemals verlassen kann. Zu guter Letzt wünschte mir Darken Rahl noch ein langes Leben – ein Leben, in dem ich durch mein Leiden dafür büßen soll, daß ich sein Mißfallen erregt hatte.«
Jennsen hörte zitternd zu, unfähig, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Althea zeigte mit einem Finger in das Hinterzimmer. »Dieser Mann dort, der mich liebt, hat das alles mit ansehen müssen. Auf diese Weise wurde Friedrich dazu verdammt, zeit seines Lebens eine verkrüppelte Ehefrau zu pflegen, die ihm in fleischlichen Dingen schon lange keine Frau mehr sein kann.«
Sie strich mit der Hand über ihre knochendürren Glieder, als sähe sie sie so, wie sie einmal gewesen waren. »Ich durfte nie wieder die Freude erleben, mit meinem Mann zusammenzusein, wie Frauen dies mit Männern gemeinhin tun.«
Sie hielt inne, um sich zu sammeln, bevor sie weitersprach. »Als Teil meiner Strafe beließ mir Darken Rahl die Fähigkeit, meine Gabe auf die einzige Weise zu nutzen, die mich jeden Tag meines Lebens verfolgen würde, das Erstellen von Prophezeiungen.«
Jennsen fand, daß das eigentlich ein gewisser Trost sein mußte, und konnte sich nicht enthalten zu fragen, »Aber es ist doch Teil Eurer Gabe – habt Ihr nicht wenigstens ein bißchen Freude daran?«
Die dunklen Augen hefteten sich abermals auf sie. »Hast du dich des letzten Tages erfreut, den du mit deiner Mutter verbracht hast – des Tages vor ihrem Tod?«
»Ja«, meinte Jennsen schließlich.
»Hast du mir ihr gesprochen und gelacht?«
»Ja.«
»Wie wäre es gewesen, hättest du gewußt, daß sie am Tag darauf ermordet werden soll? Wenn du das alles lange bevor es geschah, Tage, Wochen, oder sogar Jahre vorher gesehen hättest? Wenn du gewußt hättest, was passieren würde und wann, und zwar bis ins kleinste, schaurige Detail? Wenn du kraft deiner Magie das grauenerregende Bild vor dir gesehen hättest, all das Blut, den Todeskampf und das Sterben? Hätte dir das etwa gefallen? Hättest du trotzdem Freude verspürt und gelacht?«
Kleinlaut antwortete Jennsen, »Nein.«
»Du siehst also, Jennsen Rahl. ich kann dir nicht helfen. Nicht, weil ich eigensüchtig wäre, wie du es ausdrückst, sondern weil ich einfach nicht mehr die Kraft hätte, einen Bann für dich zu sprechen, selbst wenn ich es wollte. Du mußt die Fähigkeit, dir selbst zu helfen, den freien Willen, das zu tun. was du tun mußt, in dir selber suchen. Nur so kannst du wirklich Erfolg im Leben haben. Ich kann keinen Bann für dich sprechen, um deine Probleme zu lösen, denn ich habe einen großen Teil meines Lebens damit verbracht, für den letzten Bann zu büßen, den ich für dich gesprochen habe. Ginge es nur um mich, würde ich es gern auf mich nehmen, denn ich habe etwas getan, an das ich wirklich glaube. All das ist die Schuld eines bösartigen Mannes, nicht die eines unschuldigen Kindes. Trotzdem leide ich jeden Tag. denn ich habe nicht nur mein eigenes Leben verwirkt, sondern auch Friedrichs. Er hätte …«
»Überhaupt nichts hätte ich.« Er war hinter Jennsen getreten. »Ich habe jeden einzelnen Tag meines Lebens als besondere Ehre angesehen, weil du ein Teil davon bist. Dein Lächeln ist für mich wie eine vom Schöpfer persönlich vergoldete Sonne, die Licht in mein bescheidenes Dasein wirft. Wenn dies der Preis war für all das, was ich gewonnen habe, dann habe ich ihn gern bezahlt. Werte meine Freude nicht ab, Althea, indem du sie als gering darstellst.«
Althea sah wieder hinunter zu Jennsen. »Siehst du? Das ist meine tägliche Folter, zu wissen, was ich für diesen Mann niemals sein noch tun konnte.«
Schluchzend kauerte Jennsen zu Füßen der Frau.
»Magie«, kam Altheas Stimme leise von oben, »bedeutet stets Ärger, den man nicht gebrauchen kann.«
24. Kapitel
Jennsens Gedanken verloren sich in einem Nebel aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Der Sumpf existierte nur insofern, als er der Boden unter ihren Füßen war, sie umgab und über
Weitere Kostenlose Bücher