Die Säulen des Feuers
Geheimnisvollen Tochter. Er sah die Qual in Crits Augen, den Schmerz des echten Crits hinter der nichtssagenden Maske. »Ja, das hättest du wahrscheinlich«, sagte er heiser. So einfach war der Riß nicht zu flicken. »Das hat mir wohl zu denken gegeben. Es stimmte irgendwie nicht.«
»Verdammt, wach auf! Was muß denn noch geschehen? Tempus wird Saiten aus deinen Därmen machen, wenn du es nicht in Ordnung bringst, verstehst du? Er hat dir mehr Freiheiten gegeben, als dir zustünden. Er hat dir den Rang gelassen, das nominelle Kommando. Bei den Göttern, was denkst du, wie lange er noch geduldig auf dich warten wird? Weißt du überhaupt, wie geduldig er ist? Weißt du, was er mit einem anderen gemacht hätte?«
»Er hat mir das Kommando gelassen. Ich habe es noch. Bis er es mir nimmt.« Die letzten Worte kamen schleppend. Tempus konnte es verlangen. Und würde nichts von ihm bekommen. Das war so sicher wie Regen und Sonne. Er war innerlich hohl. Crit hätte ihn erschießen können. Das wäre in Ordnung gewesen. Es hätte Probleme gelöst. Im Augenblick war ihm alles egal. Er ging hinüber zu dem Tisch mit den Flaschen billigen Weines, den sie hier hatten, weil er nicht verdarb und weil das Wasser wie Lauge mit Kupfer schmeckte. Er zog einen Korken heraus und schenkte sich ein kleines Glas ein, obwohl er wußte, daß ein gefährlicher Mann hinter ihm stand und die Dinge jetzt nicht klarer waren als zuvor. Er drehte sich um und streckte Crit das Glas entgegen. »Möchtest du?«
»Nein.« Crit stand noch am selben Fleck, die Armbrust auf den Boden gerichtet. »Wo ist dein Brauner? Du läßt das verfluchte Pferd unten im Hof stehen, wo es jeder sehen kann?«
»Ich habe nicht vor zu bleiben.« Strat nahm einen Schluck des sauren Weines und verzog das Gesicht. Sein Magen war leer. Schon ein bißchen Wein machte ihm zu schaffen. »Ich habe einen Frieden in dieser Stadt zusammengeflickt. Ich dachte schon, daß ich mir damit auch ein paar Feinde mache. Und Kama hat Verbindungsleute bei den VOBFs, nicht wahr? Ich nehme an, sie hat ihre Antworten, und das sind nicht die meinen.«
»Sie hat versucht, dir in den Rücken zu schießen. Ich habe es verhindert. Du kommst hierher mit einer Stinkwut auf mich, und bei ihr sagst du nur … Nein, du hast keine Stinkwut, oder? Du bist hierhergekommen – warum eigentlich? Warum bist du hergekommen, wenn du das erwartet hast?«
»Ich habe es dir gesagt. Ich dachte, wenn du mich treffen wolltest, hättest du es auch. Ich bin nur nicht dazu gekommen, letzte Nacht mit dir zu reden. Das ist alles.« Strat leerte das Glas und stellte es ab, ehe er sich wieder umdrehte und Crit ansah und die Armbrust und die offene Tür. »Ich gehe jetzt lieber. Mein Pferd steht auf dem Hof.«
»Dieses verdammte Pferd – das verdammte Gespenst. As, das verdammte Ding schwitzt nicht, es ist wie die Zombies! Um der Götter willen, As, bleib da!«
»Willst du mich festhalten?«
»Wohin willst du?«
Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. Er hatte nicht gewußt, ob er diese Stube lebend verlassen würde. Nichts, was er gegenwärtig tat, hatte Sinn. Es war nicht nötig gewesen hierherzukommen, nicht nötig, die Dinge mit Crit in Ordnung zu bringen; aber er hatte seit gestern, seit vergangener Nacht ständig daran denken müssen; und nun konnte er es vergessen. Sein Partner versuchte gar nicht, ihn zu töten. Auch Tempus nicht. Außer Tempus hatte Kama beauftragt, aber das andere war wahrscheinlicher. Die VOBFs, die Volksfront für die Befreiung Freistatts. Oder die Mächte, die Chaos in Freistatt wollten. Ihm war, als trüge er die ganze Stadt auf den Schultern, als würde sein Leben geschützt, als wachten die Götter, die über diese Stadt wachten, auch über ihn, der sich bemühte, sie zu retten. Und sie beide waren verderbt, sie beide waren Ruinen, er und die Stadt. Er sah die Kompromisse, die er eingegangen war. Er wußte, wo er jetzt war: auf der andere Seite der Mauer von Crit und all seinen alten Freunden. Seit jenem Tag vor Morias Haus hatte er Ischade nicht mehr gesehen. Seit er sie blinzelnd um eine Ecke verschwinden sah. Oder sonstwohin. Die Schutzzauber verwehrten ihm den Zutritt zum Haus am Fluß. Er war hinter Haught her und konnte ihn nicht finden. Er war völlig allein, und alles, was er fest in der Hand geglaubt hatte, entglitt seinem Griff.
»Ich weiß es nicht«, antwortete er Crit. »Ich weiß nicht, wo ich hingehe. Auf die Suche nach ein paar Verbindungsleuten. Ich werde
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