Die Säulen des Feuers
hinunter.
»Strat!«
Mitten im Schritt schaute er über die Schulter. Dem Ton nach hätte eine Waffe auf ihn angelegt gewesen sein können. Aber da war keine. Er stiefelte zum Stall, riß die Tür auf und griff nach der Laterne, die dort hing. Ein sanftes Wiehern begrüßte ihn. Ein unfreundlicheres hallte, und zwei beschlagene Hufe traten gegen die Boxwand: Crits unberechenbarer, schlechtgelaunter Fuchs, der sich gegen die Enge der Box wehrte, sich aufbäumte und gegen die Bretter trampelte, daß er bis oben zu hören war.
»Halt's Maul!« Es war, als brülle er Crit an. Und es nutzte genausoviel. Wieder hämmerten die Hufe gegen die Bretter.
Da erschien Crit an der Stalltür, hob sich dunkel gegen das sternenhelle Pflaster draußen ab. Strat ignorierte ihn und zündete die Laterne an. Sie brannte. Er stutzte den Docht, hängte die Laterne an ihren Haken und tat etwas, das tödlich sein mochte. Er wandte Crit den Rücken zu und stapfte durch den Gang.
Kein Streit zwischen Freunden. Es war nichts Privates. Es ging um Tempus' Befehle. Tempus war gegen ihn, war gegen alles, was er getan hatte, alles, was er aufgebaut hatte, gegen jedes Bündnis, das er geschlossen hatte. Und er bedeutete ihm (durch Crit), Schluß mit dieser Frau zu machen und einzugestehen, daß er versagt hatte. Er schickte seinen eigenen linken Führer, um ihn zu töten.
Diese Chance gab er Crit jetzt. Er schritt den Gang zwischen den Boxen hindurch, hob sein Zaumzeug von der Wand, warf es über die Tür der Box seines Braunen. Durch den Lärm, den der Fuchs machte, lauschte er auf leises Rascheln von Stroh, das Crit verursachen mußte, wenn er hinter ihm herkam.
Versuch's doch! Von mutlosem Selbstmord zur Vorstellung, daß er Crit besiegen könnte, ihn zu Boden werfen, sich auf ihn setzen und ihn zwingen, ihn anzuhören. Ihn nicht zu töten, wenn das möglich war. Dann würde Crit zur Vernunft kommen. Dann würde es Crit leid tun. Dann würde Crit zu Tempus gehen und ihm sagen, daß alles ein Irrtum war, daß sein Partner sein Bestes getan hatte, das einer nur tun konnte, daß er sich mit Herz und Seele hineingekniet und getan hatte, was niemand sonst fertiggebracht hatte; daß er die Nisibisihexe in Schach gehalten; zumindest einen Waffenstillstand mit den Hauptfaktionen ausgehandelt; und dieses ganze Höllenloch Freistatt zusammengeflickt und zusammengehalten hatte!
Er verdiente Dank, bei den Göttern! Er verdiente etwas Besseres als einen Partner, der ihn umbringen wollte.
Komm schon, Crit, verdammt! Nicht das leiseste Rascheln, kein Laut.
Er drehte sich um und schaute. Crit war gar nicht da; war gegangen – irgendwohin. Vielleicht wieder nach oben. Vielleicht, um einen Befehl zu erteilen.
Wieder drehte Straton sich um, warf die Decke über den Braunen, streichelte seine Schulter. Der Hengst warf den Kopf zurück, biß ganz sanft in seinen Ärmel, stupste ihn in die Rippen. Strat schlang die Arme um seinen Nacken, was der Braune als würdelos empfand; trotzdem drückte Straton den warmen Hals an sich und tätschelte ihn, und indem er sich an etwas klammerte, das ihn rückhaltlos liebte, kämpfte er gegen das Brennen in seinen Augen an und den Schmerz in seinem Herzen.
Sie liebte ihn so. Unterstützte ihn. Half ihm. Bestand nie auf die Anerkennung für dies oder die Anerkennung für das, überließ sie ganz allein ihm und flüsterte: Aber das will ich nicht, Strat. Du bist der Kopf dahinter, sag mir nur, was du brauchst. Ich tu es für dich. Für niemand sonst auf der Welt. Dein Urteil ist das einzige auf der Welt, dem ich mehr als meinem eigenen traue. Du bist der einzige Mann, dem ich je traute. Der einzige jemals.
Sie war Ruhe, war Geborgenheit, sie verstand, was er brauchte und wann er es brauchte. Sie war die einzige Frau, die ihn kannte, wie Crit ihn gekannt hatte; wußte, was er getan hatte; wußte, daß er der Inquisitor der Stiefsöhne war; die seine Selbsttäuschung aufgedeckt hatte, daß Grausamkeit ihm sexuell absolut nichts gab – sie nahm das Körperwissen, das ihn bei der Vernehmung so geschickt machte und beim Lieben, und bog ihn wieder herum, bis er die Qualen sehen konnte, die er sich selbst zufügte, diesen inneren Krieg gegen seine Gefühle. Sie nahm ihm all das ab, fügte es zusammen und machte ihn sanft und zärtlich zu ihr. Das war sein tiefstes Geheimnis – zu diesem zerbrechlichen, inneren Selbst drang sie vor, was Crit selten gelungen war. Ihr konnte er sich ganz ergeben, körperlich und seelisch, konnte
Weitere Kostenlose Bücher