Die Säulen des Feuers
Rand einer ungeheuren, gefährlichen Höhe zittert und fasziniert ist vom Sturz, dem Zersplittern seiner eigenen Knochen und dem Spritzen seines eigenen Blutes auf dem Pflaster …
Lord Tasfalen holte keuchend Luft und starrte entsetzt auf das sternenhelle Pflaster seines eigenen Innenhofs, als ihm bewußt wurde, wie nahe er daran gewesen war hinunterzuspringen – und wie ersehnenswert es ihm erschienen war. Er gab dem Krrf die Schuld, wich vom Fenster zurück und wandte sich wieder dem Bett zu, das er mit einer Sklavin teilte, während er schwor, jemanden auspeitschen zu lassen, weil der Krrf etwas enthalten haben mußte, was nicht hätte sein dürfen. Er hatte Angst, wie er so dastand in seinem Schlafgemach; und die Sklavin blickte starr vor Entsetzen auf ihren schönen Herrn, befürchtete, er habe einen Anfall, befürchtete, er sei vielleicht vergiftet worden, wofür man ihr die Schuld geben würde, wofür sie sterben müßte. Ihr ganzes Leben zog vor ihrem inneren Auge vorbei in diesem Moment, ehe Tasfalen zuckend auf sein Bett sank, vereint mit einer Frau, die sich weit entfernt von seinem prächtigen Schlafgemach befand.
So weit war Ischades Macht angewachsen, Sie jagte wie ein Raubtier und ließ Tasfalen in einer Lust erbeben, die er nicht zu befriedigen vermochte, so sehr er sich auch bemühte. Und die Sklavin verbrachte diese Stunde in einer größeren Furcht denn je, seit man sie in diesen goldenen Käfig mit dem übersättigtsten aller rankanischen Edlen gesperrt hatte.
Ischade lehnte sich zurück, schloß die Augen und lag lange ausgestreckt, während der Donner über dem Haus grollte und krachte, und ein schlappohriger, sommersprossiger Magier sich plagte, einen Gott und eine Seherin zu retten. Sie spürte die letzten Nachwirkungen des Liebesaktes, schmeckte Kupfer auf der Zunge, rollte die Augen unter den leicht geöffneten Lidern und dankte ihrer eigenen Voraussicht, daß sie Straton in dieser Nacht zu Crit geschickt hatte.
Nicht genug für diesen feinen Edlen. Eine Nachspeise noch. Sie lag da, während das Feuer im Kamin niederbrannte und das der Kerzen rundum im Gemach und das in ihrem Blut. Sie sandte einen Hauch ihres Willens aus, ließ ihn um das Haus wandern, schickte ihn wie einen Blitz den alten Eisenzaun entlang und zum Hausfirst hoch, wo er eine Schar schwarzer Vögel aufscheuchte.
Sie sandte ihn als Windstoß in den Schornstein und ließ ihn mit ein paar Funken über den Fußboden stieben.
»Haught!«
Haught kam schnell, wie auf Samtpfoten und mit mürrischem Gesicht; er blieb an der Tür der Kammer stehen, die er mit Stilcho teilte. Exsklave und Extänzer. Sie blickte ihn durch zusammengekniffene Augen an, starrte, erprobte ihre Entschlossenheit, bedeutete ihm näher zu kommen. Er tat einen Schritt, einen zweiten. Das war alles. Vorsichtiger Haught! Wachsamer Haught!
»Wo ist Stilcho?«
Haught deutete mit dem Kopf zur Kammer. Die Feuer waren stumm. Jedes Wort schien in Eis geschrieben, in die stille Luft im Haus geschrieben und in den Sturm draußen.
»Es ist keine gute Nacht heute, Haught. Nimm ihn und geht irgendwohin. Nein. Nicht irgendwo.« Sie zog einen Ring vom Finger. »Ich möchte, daß du das abgibst.«
»Wo, Gebieterin?« Haught kam heran und nahm den Ring so vorsichtig, als wäre er weißglühend, als würde er ihn nicht länger halten, als er unbedingt mußte. »Wo abgeben?«
»Da ist ein Haus, vier Häuser von Morias entfernt, auf der anderen Straßenseite. Bring ihn dorthin. Sag, daß eine Dame ihn Lord Tasfalen schickt. Sag, daß diese Dame ihn zu einem Bankett morgen um acht Uhr einlädt. Und sag Moria, daß sie ein weiteres Gedeck auflegen soll.« Sie lächelte, und Haught hatte plötzlich das Bedürfnis, die Hände um den Ring zu verkrampfen und von ihr zurückzuweichen. »Du hast völlig recht«, sagte sie mit kaum hörbarem Wispern. »Verschwindet!«
Sie lehnte sich einen Moment wieder zurück, die Augen geschlossen, versunken in ihren (und Tasfalens) Träumen, als sie hörte, wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Sie spürte das Erbeben der Schutzzauber, die das Haus umgaben und die Tore versiegelten.
Kommt mit mir, hatte Randal gebeten, weil er wußte, was ihm beim Gottheilen bevorstand. Ischade, ich BRAUCHE Euch!
Und Strat: Ischade um der Götter willen …
Um keiner Götter willen. Keines Gottes.
Sie war aus Stratons Nähe geflohen, wie sie aus der Hölle geflohen wäre – war weggerannt, als sie jenen Ort verließ und ihn und die
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