Die Säulen des Feuers
Liebe, Strat, bestimmt aber ihr Respekt. Sie wissen, daß du ein ehrlicher Mann bist. Sie wissen, daß du immer FÜR diese Stadt gekämpft hast. Sogar die Ilsiger wissen es. Und wenn sie auch sonst nichts respektieren, was aus Ranke kommt, dich schon …
Ilsiger! hatte er höhnisch gelacht.
Du bist der Streiter der Stadt. Ihr Retter. Glaub mir, Straton, es gibt keinen anderen, der tun könnte, was du getan hast, und keinen anderen Rankaner, der wie du für diese Stadt kämpfst.
… wenn sie auch sonst nichts respektieren, was aus Ranke kommt, dich schon.
Tempus betrachtete ihn als Versager. Tempus war mitten in Roxanes Todeskampf zurückgekehrt und machte ihn für das Chaos verantwortlich.
Tempus sollte die Wahrheit sehen; Tempus sollte sehen, daß er hier die Fäden ziehen konnte; er würde Tempus den Frieden mit den Faktionen bringen und es ihm überlassen, mit den Göttern fertig zu werden. Tempus war nicht der Mann, der es lange in einer Stadt aushielt, und Crit konnte Freistatt nicht ausstehen – aber einer von Tempus' Unterführern, einer von den Männern, zu denen Tempus Vertrauen hatte – könnte die Antwort auf alles finden, was er wollte.
Ischade und Freistatt.
Unten hatte sich etwas gerührt, eine Tür war aufgeschwungen. Moria drückte die Steppdecke in ihrem einsamen Bett fester an sich und wagte kaum, den Kopf zu heben. Die ganze Nacht war schrecklich, immer wieder krachte Donner, doch es regnete nicht, und der Himmel war von so seltsamer Stimmung, als drohe ein neuerlicher Hexenkampf – zwischen IHR und der Nisihexe. Das ganze Ausmaß der Katastrophen, zu denen es dadurch kommen könnte, entging Moria, die aus der Gosse kam; die elegante, die schöne Moria kauerte sich schutzsuchend zusammen in der weichen Daunendecke mit dem Satin- und Spitzenbezug, in all dem Luxus, den Ischade ihrer verwöhntesten (und bisher am wenigsten beanspruchten) Dienerin bot. Doch die Vorstellungskraft Morias war größer als die der meisten – sie, die gesehen hatten, wie Tote wiedergeweckt wurden, wie Feuer, das andere versengte, Ischade nichts anhaben konnte. Und sie hatte jeden Ilsigergrund für entsetzliche Angst – ein Toter war eines Morgens vor ihrer Schwelle aufgetaucht; Blitze zuckten am Himmel, grauenvolle Gewitter tobten in den Freistätter Nächten. Wimmern war vor dem Haus zu hören, ein Kratzen an den Fensterläden, Pochen und Krachen in der Speisekammer und im Keller, daß selbst die abgebrühtesten Dienstboten kreischend aus Angst vor Geistern und Gespenstern durch die Gänge flohen. Der Geist eines Mannes, der in diesem Haus ermordet worden war, war plötzlich im Leichenhemd im Keller erschienen, zum lähmenden Schrecken der Köchin und zum Schaden eines großen Tontopfs mit Essiggurken. Ein Geistkind spielte des Nachts in der Halle, und Moria war einmal aufgewacht, weil sie das entsetzliche Gefühl gehabt hatte, daß etwas neben ihr lag, und sie sah den tiefen, menschenförmigen Eindruck auf dem Federunterbett. (Daraufhin hatte sie Ischade eine völlig verstörte Botschaft geschickt – und die Erscheinungen hatten aufgehört.) Als wenn das nicht genug wäre, kam es zu Straßenkämpfen und Bränden, Verstümmelte wurden auf blutgetränkten Bahren vorbeigetragen; ein Dämon hatte sein Unwesen in dem Haus einer Beysiberin getrieben, die Moria im Auftrag von Ischade besucht hatte; und Moria wußte viel zuviel über die Harka Bey und ihre schrecklichen Schlangen und die Art und Weise, wie sie mit einer ihrer eigenen Angehörigen verfuhren. Sie fürchtete sich in letzter Zeit vor Kannen und Krügen und Schränken; sie fürchtete sich vor Paketen und Körben, die vom Markt kamen: Sie war überzeugt, daß darin eine Schlange lauerte, irgendein beysibisches Ungeheuer, das sich zu einem Zeitpunkt, da Ischade anderweitig beschäftigt war, über ihre hilflose Dienerin stürzen würde. Natürlich würde ihre Gebieterin schreckliche Rache nehmen, daran zweifelte Moria nicht im geringsten; aber es wäre durchaus möglich, daß sie, Moria, dann bereits tot war und es nicht mehr würdigen könnte.
Aber, o Shipri und Lord Shalpa, Gott und Schutzpatron der ehemaligen Diebin und Falkenmaske, nicht einmal die Toten waren sicher vor Ischade, die sie vielleicht wiedererwecken würde wie den armen Stilcho, den Stiefsohnsklaven, den Ischade mit ins Bett nahm. Die Götter mochten wissen, was sie mit ihm tat, weil er tot war und nicht von dem Fluch betroffen werden konnte, unter dem Ischade stand – nicht starb wie
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