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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Mädchen war mit dem Kopf in ihren Armen eingeschlafen, mit je einem Schaffell über und unter sich. Selbst hatte Silje sich in den hübschen Samtumhang eingewickelt, und der war so groß, dass er auch noch über die beiden Kinder reichte. Ihr Arm, auf dem sie das Neugeborene getragen hatte, fühlte sich ganz lahm an, sie war aber nicht imstande aufzugeben. Sie war so müde, dass sie das Gefühl hatte, Sand in den Augen zu haben, und ihr Körper war so steif vor Kälte, dass sie schon meinte, er halte sich von ganz allein aufrecht.
    Der Wagen rollte mit argem Geruckel dahin. Sie musste sich mit ausgebreiteten Armen links und rechts festhalten, um nicht auf die Seite geschleudert zu werden. Als sie die Gegend von Trondheim in südliche Richtung verließen, schimmerte das Mondlicht durch die Bäume.
    »Wohin fahren wir?«, fragte Silje nach einer Weile. Ihre Lippen waren so steif gefroren, dass es ihr nicht gelang, die Wörter klar und deutlich zu formen.
    »Du fährst auf einen Hof, auf dem die Pest alle mitgenommen hat, die sie bei dieser Runde haben wollte. Ich fahre woandershin.«
    »Entschuldigung, dass ich frage«, sagte sie verlegen.
    »Aber da ist eine Sache, die ich nicht verstehe
    »Nur eine? Das ist wirklich beeindruckend!«
    Es gefiel ihr nicht, dass er sich über sie lustig machte. Wie über ein unwissendes Kind! »Der Brief mit dem Siegel des Königs..., der war doch echt, oder?«
    »Ja, das stimmt. Aber der ist sehr alt. Der ist uns schon viele Male von Nutzen gewesen.«
    »Aber wie kann er in Eurem Besitz sein?«
    »Nun fragst du zu viel«, sagte er mit einem neckenden Lachen. »Aber ansonsten bedanke ich mich bei dir für die Hilfe.«
    Das wurde auch Zeit, dachte sie bei sich, obwohl sie gar keinen Dank erwartet hatte.
    Sie betrachtete ihn von der Seite. Er saß schräg gegenüber und hatte die Beine neben ihr auf die Wagensprossen gelegt. Jetzt waren sie auf freiem Feld, und das Mondlicht traf auf das junge, schöne Gesicht mit den runden, festen Wangen und der frechen Nase. Sein Mund lächelte vergnügt, bei ihrer nächsten Frage allerdings erstarb das Lächeln.
    »Wer war das?«, fragte sie leise.
    Er erstarrte. »Wer? Der Kommandant?«
    »Nein, nein. Ihr müsst doch wissen, wen ich meine. Der uns geholfen hat.«
    Er starrte sie an. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Der Mann am Waldrand. Der den Wolfspelz trug, sodass er selbst beinah wie ein Tier aussah. Der Euch geschlagen hat.«
    Der befreite Gefangene beugte sich bis dicht zu ihr vor. »Da war niemand«, sagte er mit Nachdruck. »Niemand! Verstehst du? Niemand! Niemand!«
    Silje wich zurück. »Aber...«
    »Du hast geträumt. Du hast diese Nacht
niemanden
gesehen, vergiss das nicht! Oder glaubst du, ich lasse zu, dass mich jemand ungestraft schlägt? Ich würde denjenigen doch niederstechen.«
    Er hatte leise gesprochen, damit der Kutscher sie nicht hören konnte. Silje fügte sich. Sie verstand ihn. Es war nicht leicht, solche Erniedrigungen hinnehmen zu müssen. Erst fast hingerichtet, dann gerettet von einem jungen Mädchen und dann von einem Mann ins Gesicht geschlagen.
    »Ich verstehe«, sagte sie kleinlaut.
    Er war sofort besänftigt. »Du musst todmüde sein. Hier, lass mich für eine Weile das Kind nehmen. Ist es deins?«
    Silje schnitt eine erschöpfte Grimasse. »Nein, um Gottes willen, das kann doch kaum meins sein! Ich kümmere mich nur um die beiden. Sie haben sonst niemanden.«
    Sie sah hinunter auf das Kind und sagte, was ihr schon lange Sorgen gemacht hatte. »Obwohl ich nicht weiß, ob es lebt oder nicht«, sagte sie ängstlich. »Es ist so still gewesen, seitdem wir weg sind von dem... von diesem Platz.«
    Sie hatte das Gefühl, als könne sie noch den Gestank der Leichenverbrennung riechen, als werde sie ihn niemals wieder vergessen.
    »Schlaf doch ein bisschen«, sagte er sanft und nahm ihr das Kind ab.
    Oh, welch eine Wohltat, die Arme ausstrecken zu können und das Gewicht des Kindes los zu sein! Sie steckte das Schaffell fester um das Mädchen, kauerte sich in Rock, Schal und Samtumhang zusammen und lehnte den Kopf an die Wagenkante. Der Mond stand genau über den Köpfen der Pferde, und das nahm sie als gutes Zeichen. Die Zukunft würde licht werden, dachte sie. Als der Weg abbog, sah sie wieder empor – und da erstrahlte ein klarer Stern. Noch besser. Denn das wussten doch alle, dass Sterne Löcher im Himmelszelt sind und man dadurch in Gottes strahlenden Himmel blicken kann. Nun hatte Gott ihr gezeigt, dass er

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