Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
ist zehn Tage her.«
Eldrid schaute sie nachdenklich an. »Das sieht ihm ähnlich. Zu mir kommt er jeden Tag, um sich zu erkundigen, wie es euch geht, und er gibt mir ständig neue Anweisungen. Er sorgt sich grenzenlos um euch, Silje. Ja, nun ist er nicht zu Hause, er ist oben in den Bergen mit dem Holz beschäftigt. Aber ich werde mit ihm reden. Vielleicht kommt er heute Abend zu euch. Ansonsten wollte ich noch fragen, ob du morgen mit zur Andacht kommen willst. Dann kannst du die anderen Bewohner des Tals kennenlernen – es tut dir vielleicht gut, einmal andere Menschen zu sehen. «
»Aber wer passt dann auf die Kinder auf? «
»Das kann Tengel tun. Er darf sowieso nicht zur Andacht gehen. «
»Warum denn nicht?«, fragte Silje erstaunt.
Eldrid zog eine Grimasse. »Sie behaupten, er habe einen Schatten bei sich. Du weißt schon. Es ist so dumm, so gemein. Sie selbst betreiben Inzucht bis zum Gehtnichtmehr, aber uns sehen sie schief an.«
»Verachten sie euch?«, fragte Silje ungläubig.
»Nein, sie verachten uns nicht. Sie fürchten uns.«
»Aber eigentlich seid doch ihr hier die »reinste« Familie, oder nicht?«
»Natürlich! Die anderen sind vollkommen miteinander verstrickt, und nach jahrhundertelanger Isolation ist das ja auch kein Wunder. So besonders gut ist das nicht immer gewesen. «
»Aber du darfst allergnädigst an ihrer Andacht teilnehmen?«
»Ja, ich bin von dem Erbe des ersten Tengel nicht betroffen – ich bin sozusagen normal. «
Silje warf einen nachdenklichen Blick auf die Kinder im Zimmer nebenan. »Ich möchte sehr gern mitgehen, denn in letzter Zeit bin ich mir schon wie eine Heidin vorgekommen. Aber können wir sie wirklich Tengel überlassen? Der Kleine schreit doch so schrecklich.«
»Das muss er ertragen. Komm jetzt, ich helfe dir ein bisschen beim Backen.«
Als Eldrid gegangen war, lief Silje ins Zimmer zu den Kindern und hob Sol vom Fußboden.
»Tengel kommt, Tengel kommt«, sang sie, wobei sie mit der Kleinen umhertanzte, die ihr sogleich alles vergab und mittanzte, immer wieder rundherum.
»Wir müssen es hier schön machen«, sagte Silje eifrig. »Du kannst fegen, ich wasche dann die Tassen ab.«
»Schönes Kleid?«, fragte Sol.
»Ja doch, du darfst das schöne Kleid anziehen. Warte aber bis heute Abend! Zuerst müssen wir arbeiten.«
Sie hatten alles so schön wie möglich geschmückt, saßen fein gekleidet am Tisch, als Tengel nach langem Warten endlich kam. Sol schlang die Arme um seine Beine. Tengel hob sie hoch und strich über ihr schönes Kleid, während er Silje anblickte.
»Du hattest Schwierigkeiten mit den Kindern, habe ich gehört?«
Oh, diese tiefe Stimme. Es war, als bringe sie sie zum Schwingen und lasse sie warm und kalt auf einmal werden.
»Nein, es ist nicht so, dass
»Eldrid hat mir ordentlich den Kopf gewaschen«, sagte er kurz. »Sie sagte, dass ich nicht die mindeste Vorstellung hätte, was es bedeutet, die Verantwortung für zwei Kinder und ein Haus allein zu tragen – vor allem, wenn man so jung und unpraktisch ist wie du. Na, also was ist mit ihnen los?«
»Ja, es ist... hauptsächlich Dag.« Sie stotterte und hatte Schwierigkeiten, unter seinem durchdringlichen Blick die richtigen Worte herauszubringen.
Sie musste den Kleinen wieder ausziehen.
Tengel sah ihn sich an. »Hast du denn nicht einmal von mir eine Salbe bekommen? Für dein Bein?«
»Doch. Aber kann man die auch dafür nehmen? Ich habe mich nicht getraut, es auszuprobieren.«
»Nein, ich habe auch eine bessere«, sagte er und holte ein schwarzes Bündel hervor.
Ihr fiel sein letzter Krankenbesuch ein, und sie fragte: »Willst du mit dem Kleinen allein sein?«
Er verzog den Mund. »Über diesen kleinen Kerl spreche ich keine Beschwörungsformeln.«
Ach, wirklich? Was hatte er getan? Beschwörungsformeln gesprochen? Silje spürte, wie es ihr kalt über den Rücken lief.
Tengel las ihre Gedanken. »Solange ich meine Kraft im Dienst des Guten ausübe, finde ich, brauchst du mich nicht zu tadeln. «
»Ich tadele dich nicht«, sagte sie errötend. »Du machst mir nur etwas Angst. «
»Hast du einen Grund, Angst vor mir zu haben?«, fragte er so leise und betrübt, dass es ihr die Brust zuschnürte.
»Sille tanse«, sagte Sol.
Tengel drehte sich zu dem kleinen Mädchen um. »Was sagst du? Silje tanzt?«
»Sille singen, Tengel kommt!«
»Petzliese«, murmelte Silje.
Sol hörte auf, den Tanz vorzuführen. »Und Sille weine. In Bett.«
Tengel wurde ernst. »Stimmt
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