Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund
mit dem flatternden grauen Haar lenkte sich jetzt selbst, und ihr stockte der Atem, als sie entdeckte, daß sie geradewegs in das Loch getragen wurde, das sehr viel größer war, als sie gedacht hatte. Ein Abgrund war es, und direkt in den Abgrund hinunter flog sie, ohne die Geschwindigkeit bremsen zu können oder zu wollen. Die Luft um sie pfiff. Immer tiefer und tiefer stieg sie hinab.
Dann war sie ganz unten, unter neuen tanzenden Scharen, und sie stieg ab. Sie streckten die Hände nach ihr aus, um sie mit in den Tanz zu ziehen. Doch mit einem Mal wurde es ganz still.
Aus der Mitte der Menge stieg der Böse selbst.
Er schaute sich unter den Tanzenden um. Dann blieb sein Blick an Sol haften, und sein langer Finger zeigte auf sie. Ohne vorherige Warnung waren all die anderen verschwunden. Sol war mit ihm allein in einer kleinen Grotte, dort war es sehr heiß und die Luft von Brunstgeruch erfüllt war.
Satan sah sie an und lächelte. Und da sein Aussehen in der Phantasie eines jeden einzelnen Menschen Gestalt annimmt, war er für Sol der schönste, der anziehendste und suggestivste Mann, den sie je gesehen hatte. Gelbe Augen hatte er - so wie sie auch - längliche Risse von Feuer und einen Satyrenmund mit weißen, spitzen Zähnen. Das Haar war rabenschwarz, und der dunkle Körper…
Sol schnappte nach Luft. Ohne Widerstand glitt sie in seine offenen Arme, und innerhalb einer halben Stunde wurde sie von den gewaltigsten Vergnügungen geritten, einer ganzen Reihe davon, konnte von ihm nicht genug bekommen, und er war genauso unersättlich wie sie.
Den Rückweg erlebte sie wie durch einen Schleier, wußte nicht einmal, daß sie durch die Lüfte zurückgeflogen war, bevor sie unter dem Baum erwachte, klebrig naß an der Innenseite ihrer Schenkel, und mit Kopfschmerzen, die von einer anderen Welt stammen mußten.
Sie konnte den Kopf nicht bewegen. Es war spät abends, stellte sie fest. Die Kopfschmerzen traten immer dann wieder auf, wenn sie versuchte, sich zu bewegen. Deshalb blieb sie reglos mit einem dumpfen Schmerz im Unterleib liegen, als sei er lange gereizt worden, und mit der brennenden Sehnsucht, alles noch einmal von neuem zu erleben.
Du liebe Güte, dachte sie. Nun habe ich aber Jacob etwas beizubringen! Was wir miteinander getrieben haben, war ja nur ein Kinderspiel!
Oh, wenn sie diesen Mann doch nur Wiedersehen könnte! Den Bösen selbst. Wenn sie ihm doch nur hier begegnen könnte, hier auf Erden!
Der arme Jacob nahm sich im Vergleich dazu auf einmal so blaß und langweilig aus.
Aber sie würde es ihm schon beibringen! Ihm zeigen, wie sie es haben wollte.
Nein, diese Kopfschmerzen waren fürchterlich! Aber das war wohl der Preis, den sie dafür bezahlen mußte. Sie mußte versuchen, sie loszuwerden.
Mühsam durchsuchte sie ihre Sachen, bis sie ein Schlafmittel gefunden hatte. Schließlich fiel sie in Schlaf und schlief die ganze Nacht.
Am Morgen danach war sie wieder gesund, aber noch längst nicht sicher, ob sie den Versuch wiederholen wollte. In jedem Fall mußte sie zuerst Vorkehrungen treffen, um sich vor unerwünschten Folgen zu schützen. Die arme Meta wartete.
Schlechten Gewissens ritt Sol durch die Wälder des Sinderödsbergkamms hinunter zu der schönen Stelle am Fluß.
Alles war still. Erschreckend still. Die Wasseroberfläche war spiegelblank, es rieselte leise bei dem kleinen Wasserfall an den Klippen, und alles badete in flimmerndem Sonnenlicht. Nicht ein Zeichen von Leben.
Sol wurde es kalt. Wenn sie nun in ihrem Egoismus das arme Mädchen in die menschenfeindliche Wildnis getrieben hatte? Oder ob es hier wirklich wilde Tiere gab?
»Meta?« rief sie so laut, sie konnte. »Meta, ich bin's - Sol!«
Oben auf den Klippen regte sich etwas. Auf einem Absatz erhob sich eine kleine Gestalt.
»Oh, mein Gott, Meta, hast du mich aber erschreckt!« Sol atmete erleichtert auf. »Ich habe schon geglaubt, du hättest es mit der Angst zu tun gekriegt und seist weggelaufen.« Dort oben auf dem Absatz hatte sie sich verschanzt - ganz vernünftig durchdacht - mit dem Messer und großen Steinen griffbereit, um eventuelle Angreifer damit zu bewerfen. Nun kletterte sie hinunter.
»Hallo«, sagte Sol und sprang vom Pferd. »Du hättest von da oben herunterfallen können! Wie ist es dir ergangen?« Meta sah ganz bleich aus. »Nachts hatte ich Angst vor dem Wald. Und dem Mond. Der starrte mich so an.« »Du bist es doch gewohnt, allein zu sein.« »Aber nicht so weit weg von den Leuten.«
»Hast
Weitere Kostenlose Bücher