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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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der Posthalterei von Dovre. Die Tante Charlotte, dem Engel der Familie, etwas tun wollten.
    Der Kirchendiener… Dabei hatte sie sich wirklich amüsiert! Herr Johan… Das war schade, aber notwendig. In allerhöchstem Grade notwendig.
    Und dann einige von Tengels schwerkranken Patienten. Aber die zählten nicht, die waren schließlich schon halbtot. Wie war es in Kopenhagen gewesen? Nein, dort hatte sie sich zusammengerissen.
    Aber dann waren da noch die beiden Räuber in Skäne. Selbstverteidigung. Keinerlei Finessen dabei, aber die Zeit war zu knapp gewesen.
    Dann Livs Schwiegermutter. Damit war sie weitaus mehr zufrieden. Intelligent und methodisch geplant. Und dann Laurents. Auch das hatte sie gut gemacht.
    Allmählich wurde die Liste lang. In der letzten Zeit war sie erheblich angewachsen. Aber das wichtigste Opfer wartete noch. Nur das wußte Sol nicht.
    Liv stand vollkommen unbeweglich in dem feinen Salon in ihrem Haus in Oslo. Sie preßte die Hände zusammen, um nicht so zu zittern. Doch sie konnte nicht verhindern, daß sie am ganzen Körper bebte.
    Er ist tot, dachte sie. Er ist tot und kommt nicht wieder. Sie konnte nur zittern, nicht denken, das Gehirn funktionierte nicht. Wollte nicht funktionieren. Denn dann könnten ihr Gedanken kommen, bei denen sie sich nicht wiedererkannt hätte.
    Die Gedanken hatten sich bereits gemeldet, als sie vom Tod der Schwiegermutter erfahren hatte. Ich darf keine Erleichterung verspüren, hatte sie sich gesagt, ich… Nein, ich habe ihr nicht den Tod gewünscht! Das habe ich nicht! Gott, hilf mir und erbarme dich meiner! Und nun Laurents.
    Nicht denken, nicht denken, mein Gewissen erträgt keinen freimütigen Gedanken. Die Beerdigung, wie soll ich die nur überstehen? Kommt denn niemand, der mir bei den praktischen Dingen helfen kann? So daß ich auf andere Gedanken komme. Ich zerbreche daran. Ich zerbreche an alldem, was kurz vor dem Ausbruch steht, ich… da kommt jemand. Vertraute Stimmen. Vertraute und liebe Stimmen! Sol segelte in den Raum. Und hinter ihr kamen alle ihre Lieben. Liv war umgeben von besorgten, fürsorglichen Stimmen, Armen, die sie umschlossen. Die Mutter war da, warmherzig und mit glänzenden Augen. Sie sagte etwas von »mager« und »geliebtes Kind«. Und Sol zwitscherte. Und Dag war da, und Charlotte, und alle schauten sie besorgt an. Doch Liv konnte sie nicht klar erkennen.
    Tengel war in der Tür stehengeblieben. Er starrte seine Tochter an, das Kind, das er die Kinderkrankheiten hindurch im Zimmer hin und her getragen, das er im Arm gehalten hatte, während sie sich durch ihre ersten Buchstabenreihen buchstabierte, und das der gesamten Welt stets so sanft und herzerwärmend entgegengestrahlt hatte. Und er kannte sie nicht wieder, dieses starre, abgemagerte Gesicht mit blauen Schatten unter den Augen, mit glanzlosem Haar und verwirrtem Blick…
    Tengel wandte sich ab und schlug die Hände vors Gesicht. Nun wußte er, was Haß war. Laurents Berenius und seine Mutter konnten dankbar sein, daß der Tod sie so jäh und schmerzfrei ereilt hatte.
    Mit einem schweren Seufzer wischte er die Tränen fort. Wieviele Male hatten Silje und er vorgehabt, Liv zu besuchen, obwohl sie deutlich ihre Ablehnung eines Besuches zum Ausdruck gebracht hatte. Doch ihre Rücksichtnahme hatte gesiegt. Liv hatte sie gebeten, nur noch ein bißchen zu warten - sie war mit dem Einrichten noch nicht fertig, oder Laurents war verreist, und er wollte so gern dabei sein. Und so weiter.
    Jetzt war Liv von vielen Menschen umgeben. Alle wollten sie umarmen, alle wollten sich um sie kümmern. Ihr Gesicht war vollkommen leblos. Tengel hatte Angst, solche Angst! Nun war sie frei, und sie schaute ihn unverwandt an. Tengel ging auf sie zu, und sie fiel ihm geradewegs in die Arme. Und während ihm erneut Tränen übers Gesicht rannen, hörte er ihr verschrecktes Schluchzen: »Nimm mich mit nach Hause, Vater!«
    »Ja«, flüsterte er zurück. Auch er konnte nicht deutlich sprechen. »Nun kommst du wieder nach Hause. Und willkommen sollst du sein, mein geliebtes Kind!« Liv kam nach Hause, bleich und müde und entsetzlich mager. Sie ging stumm im Garten umher, und manchmal machte sie einen Abstecher nach Grästensholm, wo sie lange Gespräche mit Dag führte. Er war derjenige der Geschwister, der ihr immer am nächsten gestanden hatte. Charlotte hielt sich im Hinter grund, servierte ihnen gute Speisen und war in jeder Hinsicht aufmerksam. Liv und Dag wanderten über die Felder.
    »Bitte Liv!

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