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Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Titel: Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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lachten. Und damals war ich jung und stark. Wenn man älter wird, hat man nicht mehr die Kraft für all die Pflichten und all die Unruhe, die ein kleines Kind zwangsläufig mit sich bringt. Liv ist die geborene Mutter. Ich bin es nicht.«
    Sunniva hatte aufgehört zu weinen. Das unschuldige Mädchengesicht mit den arglosen Augen sah erstaunt aus, und in ihren Zügen spiegelte sich eine aufkeimende Hoffnung. »Ich verstehe, daß du dich manchmal verlassen fühlst«, fuhr Silje fort. »Du hast ja weder Vater noch Mutter. Aber du sollst wissen, daß alle auf Lindenallee und auf Grästensholm dich lieben, ja anbeten, weil du ein so zartes, schutzloses Geschöpf bist.«
    Ein zitterndes Lächeln erschien auf dem weichen Mädchenantlitz.
    Sunniva war schwach, das war nicht zu leugnen. So allzu zart, ohne die Fähigkeit, mit eventuellen Widerständen fertigzuwerden, die sie überall vermutete. Sie appellierte an alle Beschützerinstinkte und saugte Fürsorge in sich auf wie ein trockene Schwamm, aber sie hatte ihrerseits so wenig zugeben. Die schönen Gesichtszüge hatten nichts von Sols Stärke. Es waren Hemings Züge, die Silje jetzt sah, und viele seiner Schwächen hat Sunniva geerbt. Die Tendenz, vor Schwierigkeiten wegzulaufen auf Kosten anderer zu leben und ihre Gutmütigkeit auszunutzen. Insbesondere hatte sie sich als Kind und junges Mädchen an die starke und robuste Yrja gehalten. Yrja hatte die schweren Arbeiten übernommen und alle Stöße für Sunniva abgefangen.
    Aber auf der anderen Seite war Sunniva ein so bezauberndes, liebenswertes kleines Geschöpf, das niemandem etwas Böses wollte und das irgendwie ständig um Vergebung dafür bat daß es im Wege war.
    Silje legte ihr die Hand auf die Schulter. »Und was Tarald betrifft…« Das Mädchen errötete sofort.
    »Was Tarald betrifft, so haben wir nichts dagegen, daß ihr gute Freunde seid. Ihr dürft gerne füreinander schwärmen euch bei den Händen halten, auch hin und wieder ein Kuß geben und euch lieb haben. Aber niemals mehr als das. Auf kein Fall mehr als das!«
    Sunniva schien schockiert darüber zu sein, daß die Großmutter über derartige Dinge sprach. »Aber daran haben wir auch überhaupt nicht gedacht! Obwohl wir gerne heiraten würden, Silje verschlug es für einen Moment die Sprache. Wie wenig wußte das Mädchen eigentlich?
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage!« sagte sie entschieden, denn was das betraf, stimmte sie nun mit Tengel überein »Dann ist es besser, du machst gleich Schluß!« »O nein!« hauchte Sunniva verzweifelt.
    »Nun, also genießt eure kleine Verliebtheit, so lange sie dauert, und dann laßt ihr sie im Sande verlaufen. Das geht vorüber.«
    »Ach, Großmutter, Ihr seid so lieb, aber Ihr versteht nicht. Ihr wißt nicht, was es heißt, einen Menschen zu lieben!« Da fiel es Silje doch schwer, ernst zu bleiben. Sie tat, als müsse sie husten, und sagte mühsam: »Aber eines mußt du mir versprechen: Übertretet niemals die Grenze dessen, was sich schickt! Niemals!«
    »Natürlich, Großmutter. Das kann ich Euch getrost versprechen.« Und hoffentlich auch halten, dachte Silje.
    Am Abend erzählte sie Tengel von dem Gespräch. Er biß die Zähne zusammen.
    »Sunniva weiß nicht, wovon sie spricht. Ich werde wohl besser ein ernstes Wörtchen mit Tarald reden.«
    »Ja, bitte tu das. Es macht mir Sorgen, und ich glaube nicht, daß ich die Situation heute im Griff hatte. Du, Tengel, ist dir aufgefallen, daß sich die Geschichte wiederholt? Liv und Dag sind zusammen aufgewachsen - als Geschwister. Und sie haben sich in einander verliebt. Aber es ging ja gut, weil Dag kein Blutsverwandter ist. Tarald und Sunniva sind ebenfalls im selben Haus groß geworden - und jetzt ist die Reihe an ihnen. Unser Zuhause scheint eine gute Atmosphäre für die Liebe zu bieten!«
    »Ja, das tut es gewiß. Aber diesmal geht es nicht. Ich werde mit Tarald sprechen. Mit Dag auch, er muß ihm ebenfalls ins Gewissen reden.«
    »Das ist gut. Ich werde Liv auch darum bitten.«
    Auf Eikeby lag Yrja in ihrem Bett und versuchte, ihr Weinen zu unterdrücken. Sie schluckte und bemühte sich, die verräterischen Schluchzer zu dämpfen. Ihre Nase war verstopft, sie mußte sich schneuzen, aber das ging nicht, weil sie mit einer ganzen Horde Schwestern in dem breiten Familienbett lag.
    Die Brüder schliefen in einem anderen Bett, und in dem dritten lagen die Eltern zusammen mit den allerkleinsten Geschwistern. Im Raum nebenan lagen die verheirateten Paare mit

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