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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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fragte er mit heiserer Stimme. »Es ist dreimal Nacht geworden, seit er verschwand. Glaubst du, daß er ertrunken ist?«
    Der Hirtenjunge glaubte das, wagte aber nicht, es laut zu sagen. »Nein, daß muß nicht sein. Vielleicht ist er an Land gegangen, und das Boot ist ihm davongeschwommen.« »Meinst du? Ach, das hoffe ich so sehr!«
    »Ja, denn du wärst bestimmt aufgewacht, wenn er über Bord gefallen wäre und um Hilfe gerufen hätte.« »Ja, bestimmt«, sagte der Kleine getröstet. »Wie heißt du?« »Mattias. Mattias von Meiden. Und du?«
    Da grinste der Hirtenjunge. »Fast genauso. Ich heiße Mads.«
    »Wie seltsam«, lachte Mattias. »Oh, jetzt sind wir am Ufer!«
    Das Boot lief mit einem solchen Ruck auf den Strand, daß sie alle beide das Gleichgewicht verloren. Da mußten sie wieder lachen.
    Aber als Mattias an Land gehen wollte, zeigte sich, daß er zu erschöpft war. Nachdem er drei Tage und drei Nächte ohne etwas zu trinken in dem Boot gelegen hatte, waren seine Beine ganz schwach. Aber er hatte immer tüchtig Wasser geschöpft, so daß der Boden des Prahms beinahe trocken war, und seine Kleider waren nicht naß. Außerdem hatte er unglaubliches Glück mit dem Wetter gehabt. Kein Regen, kein Sturm.
    »Man könnte meinen, du hast einen Schutzengel gehabt«, lachte Mads.
    Er half dem bleichen Jungen an Land und zog seinen Proviant hervor. Viel war es nicht, Wasser aus dem Bach und ein harter Kanten Brot. Aber Mattias erschien es wie die Mahlzeit eines Königs!
    »Natürlich kannst du das Boot behalten«, sagte er großzügig. »Kolgrim hat es gefunden, es gehört also niemandem.«
    Mads wagte kaum, seinen Ohren zu trauen. Dieser Junge war ein Glücksbringer. »Aber es hat keine Ruder«, sagte Mattias.
    »Pah, Ruder! Die schlage ich mir aus ein paar Erlenstämmen zurecht.«
    »Aber jetzt muß ich wohl heim zu meiner Mutter«, sagte Mattias unsicher und schaute landeinwärts. »Sie macht sich bestimmt schon Sorgen um mich. Und um Kolgrim. Hoffentlich ist er daheim, ich habe solche Angst um sein Leben.« »Wo wohnst du denn?« »Auf Grästensholm.«
    Diesen Namen hatte Mads noch nie gehört.
    »Du hast noch nie von Grästensholm gehört?« sagte Mattias erstaunt. »Ich habe gedacht, das kennen alle.« »Du bist aus dieser Richtung angetrieben gekommen«, sagte Mads und zeigte dorthin.
    »Ja, ich habe die ganze Zeit die Küste gesehen. Jetzt brauche ich also nur am Meer entlang zurückzugehen.« Darüber mußten sie wieder lachen. »Ich bringe dich zur Landstraße.«
    Auf halbem Weg begegneten sie dem Brotherrn von Mads, und Mattias mußte ihm erklären, daß der Prahm wirklich ein Geschenk an Mads war. Weil er ihn davor gerettet hatte, weiter hinaus aufs Meer zu treiben. Der Hirtenjunge war zutiefst dankbar, daß sein Geschenk vor den Ohren des Bauern noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde, sonst hätte er wohl fürchten müssen, daß ihm der Prahm nicht lange gehören würde.
    Der Bauer kratzte sich am Kopf. Grästensholm? Nein, den Namen kannte er auch nicht.
    Mattias, der fand, daß sie einen fürchterlichen Dialekt sprachen, bedankte sich höflich für all die Hilfe und begann, die Straße in Richtung Norden zu gehen. »Das war ja mal ein feiner kleiner Junge«, sagte der Bauer. »Komisch, ich fühle mich so unbeschwert, als hätte ich einen Engel Gottes getroffen.«
    Das war Mattias nun nicht. Aber in seinen Augen und seinem Lächeln lag etwas, das eine positive Wirkung auf die Menschen ausübte. Es war genauso, wie Liv gesagt hatte: Sie gewannen ihren verlorenen Glauben an das Gute zurück.
    Aber Mads war überzeugt, daß Mattias ein Engel gewesen war. Man stelle sich vor, ein ganzer Prahm! Und die ganzen drei Tage lang hatte der Junge weder Regen noch Sturm gehabt.
    Daß der Prahm gestohlen war, konnte Mattias ja nicht wissen.
    Außerdem war der Besitzer des Prahms kürzlich gestorben, und die Erben hatten sich deswegen schon in die Haare gekriegt. Also war der Diebstahl für niemanden eine Katastrophe. Vielmehr löste er die Erbstreitigkeiten auf eine sehr effektive Weise.
    Und nachdem Mads ihn frisch geteert und nach bestem Geschmack verziert hatte, hätte nicht einmal sein Vorbesitzer ihn wiedererkannt, selbst wenn er noch gelebt hätte und jemals so unglaublich weit in den Süden gekommen wäre wie sein Boot.
    Also gehörte der Prahm Mads, daran bestand nicht der geringste Zweifel!
    Die kurzen Beine von Mattias waren müde. Er war den ganzen Tag gegangen, fast ohne jemals ein Haus zu sehen,

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