Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
zustieße? Das würde ihn für den Rest des Lebens zerbrechen. Gar nicht zu reden von ihr selbst…
Aber warum sich jetzt mit solchen Gedanken belasten, wo doch das Haus vor fröhlicher Erwartung nur so summte?
Sie hatten Einladungen versandt und die Unterbringung all der Gäste geregelt, die sie zur Hochzeit erwarteten, darunter auch königliche Gäste. Auch der zukünftige Wohnsitz des jungen Paares stand bereits fest. »Simon möchte einen kurzen Weg zur Offiziersmesse«, sagte Gabriella. »Sonst hätte ich es vorgezogen, auf dem Lande zu wohnen. Kopenhagen ist so laut und schmutzig. Ach, Mutter, ich bin so ängstlich, daß ich das alles nicht schaffe!«
»Mit der Hochzeit? Das wird ganz wunderbar, du wirst sehen.«
»Nein, ich dachte ein wenig weiter. Typisch für Mütter, nur bis zur strahlenden Hochzeit zu denken«, sagte sie altklug und ungerecht. »Die ganze Ehe! Ich will versuchen, wirklich versuchen, Simon glücklich zu machen. Er verdient eine gute und treue Gattin.« »Findest du, daß er nett zu dir ist?«
»Oh ja! Nett und höflich. Ich glaube, er respektiert mich, Mutter.«
Ein vages Gefühl ließ sie manchmal wünschen, daß er sie nicht ganz so sehr respektieren möge, aber diesen Gedanken verdrängte sie rasch wieder. Gabriella war streng zu einem anständigen Leben erzogen worden, und sie duldete keine frivolen Gedanken in ihrem Kopf. Sie seufzte hingerissen. »Ach, ich bin ja so aufgeregt! So gespannt! Wenn ich nur diese verwünschte Hochzeit schon hinter mir hätte… « »Aber Gabriella!«
»Entschuldigung! Als ich ihn das letzte Mal traf, sagte er, daß Gelb mir gut stehen würde. Tut es das?« fragte sie unsicher.
»Ganz ausgezeichnet.«
Wilhelmsen erschien in der Tür. »Seine Durchlaucht bitten Ihre Durchlaucht für einen Moment in den Salon.« »Ich komme«, sagte Cecilie und erhob sich. »Sieh zu, daß du endlich mit dem Monogramm fertig wirst, Gabriella, und sitz nicht da und träume! Der Kissenbezug wird ja ganz schmuddelig! RP - R für Simons Namen und P für Paladin. Ist das denn so schwer?«
»R ist so ein schwieriger Buchstabe, es macht solche Mühe, ihn schön zu sticken. Hätte er nicht statt dessen einen Namen mit I haben können? Ach, Mutter, ist die Hochzeitsnacht schlimm?«
Leicht schockiert über die Frage ihrer Tochter dachte Cecilie an ihre eigene, sehr ungewöhnliche Hochzeitsnacht zurück - mit dem Schachbrett mitten im Bett und dem Blutfleck, den Alexander auf dem Laken arrangiert hatte.
Unbewußt lächelte sie. »Aber nein. So eine Hochzeitsnacht kann sehr schön sein.«
Gabriella blickte ihrer Mutter verwundert und nicht weniger schockiert nach, als sie den Raum verließ. Im Salon stand ein befreundeter Offizier, sehr bleich, neben Alexander. Nie zuvor hatte Cecilie ihren Gatten so düster und grimmig gesehen. »Was gibt es?« fragte sie.
Alexander sagte mit gepreßter Stimme: »Unser Freund bringt schlechte Nachrichten. Simon hat sich nach Deutschland abgesetzt. Mit der bewußten Hofdame, du weißt schon. Ohne uns ein Wort zu hinterlassen.« Cecilie konnte es zuerst gar nicht glauben. Ihr Verstand weigerte sich zu begreifen, was seine Worte bedeuteten.
Der Offizier sagte zugeknöpft: »Seine Offiziersehre und sein Rang wurden ihm natürlich aberkannt. Wir haben es bis heute auch nicht gewußt. Er hatte sich einem Kameraden anvertraut, der uns Bericht erstattete. Mir schien, ich sollte Euch umgehend unterrichten. Ihr habt unser volles Mitgefühl.«
»Danke«, murmelte Cecilie. Langsam ging ihr die ganze furchtbare Wahrheit auf. »O mein Gott, Gabriella! Wie sollen wir ihr…«
»Nicht nötig«, antwortete ihre Tochter, die an der Tür stand. ihre Stimme klang seltsam tonlos. »Ich habe es mitangehört. Es macht nichts, liebe Eltern. Ich habe sowieso nie richtig daran geglaubt.«
Sie wandte sich um und wollte den Raum verlassen, als Tancred plötzlich hereinkam. Sein sonst so fröhliches Gesicht war rot vor Verzweiflung.
»Ihr habt es bereits gehört, wie ich sehe. Zwei deiner Freundinnen haben es mir erzählt, Gabriella. Sie versicherten mir ihr tiefempfundenes Mitgefühl, aber dann lachten sie! Sie haben meine liebe Schwester ausgelacht, Vater, und ich mußte davonlaufen, um sie nicht zu schlagen.«
In seiner Aufregung dachte er nicht daran, daß er ja Salz in Gabriellas Wunden streute. Mit einem Aufschluchzen lief sie die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf.
»Aber Tancred!« sagte Cecilie beklommen. »Hättest du nicht ein bißchen diskreter sein
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