Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
etwas geschehen«, sagte Cecilie resolut. »Ich komme wieder.«
Eigentlich wollte sie noch einmal mit Leonora Christina über Jessica sprechen, aber die Dame schwirrte draußen herum, um weiter zu organisieren.
Cecilie setzte sich in ihren Wagen und sagte zum Kutscher: »Fahr mich nach Hause! Ich muß Arzneien holen.«
Ich habe wohl noch etwas von dem alten Gebräu des Eisvolkes, das Tarjei mir während Alexanders Krankheit gegeben hat, dachte sie im Stillen.
Aber es verlief nicht gerade so, wie sie es sich gedacht hatte. Als sie zu Hause ins Eßzimmer stürzte, in dem ihr Mann und ihr Sohn eine Mahlzeit einnahmen, rief sie schnell:
»Die kleine Jessica ist entsetzlich krank. Es sieht fast so aus, als müsse sie sterben. Ich muß einige von Tarjeis Arzneien zusammenbrauen und gleich wieder hinfahren.«
Tancred sprang vom Stuhl auf. »Aber sie kann doch nicht dort bleiben!«
»Sie kann nicht transportiert werden, lieber Freund. Versteh doch, sie ist zerbrechlich wie eine antike Porzellanvase aus China.«
»Es hat mir nie gefallen, daß sie dort hingekommen ist. Diese Leute dort… Wo sind meine Reitstiefel?« »Tancred!«
»Sie muß hierher, und zwar sofort. Ich verstehe nicht, was Ihr Euch dabei gedacht habt, Mutter! Und kommt nicht auch Mattias in einigen Tagen zu Besuch?« Er lief aus dem Zimmer. Gleich darauf hörten sie, wie ein Pferd mit donnernden Hufen den Hof verließ. Alexander und Cecilie sahen einander an. Ihre Blicke sprachen Bände.
»Erfreulich zu sehen, daß er so engagiert ist«, bemerkte Cecilie leichthin.
»Ja. Ansonsten ist er ja, gelinde ausgedrückt, sehr verschlossen.«
»Verstehe gar nicht, womit er sich rumplagt. Erinnerst du dich an unseren lebensfrohen Tancred? Immer einen Scherz auf den Lippen. Und jetzt…? Ausweichend und abwesend - als ob er kein Vertrauen mehr zu uns hat. Das tut mir weh.«
»Mir auch«, sagte Alexander gedankenverloren. »Cecilie, ich glaube aus seinem Zimmer sind einige Dinge verschwunden. Braucht er vielleicht Geld und will es nicht sagen?« »Tancred?«
»Ich weiß nicht. Es ist nur ein Verdacht. Ach, ich mache mir wirklich Sorgen!«
Cecilie sah an die Decke. »Mädchen? Oder Spielschulden? Das sieht ihm gar nicht ähnlich. Ich habe Angst, Alexander!«
»Ja. Ich habe ihn gefragt, ob er Probleme hat, aber das streitet er energisch ab. Mit mir will er jedenfalls nicht sprechen.«
»Wir sollten ihm etwas Zeit lassen. Jetzt kann er sich erst einmal um Jessica kümmern. Das hilft ihm vielleicht.« »Das hoffe ich.« Sie waren beide sehr bekümmert.
9. KAPITEL
Tancred stürmte in den Ulfeldtschen »Palast«, wie Leonora Christina das Haus gern nannte. Zwar wurde er von den Wachen zuerst abgewiesen, war nach einer Rücksprache mit der Herrschaft dann aber einer Leibesvisitation unterzogen und widerwillig eingelassen worden.
Leonora Christina kam ihm in der Halle entgegen. »Tancred Paladin, was um alles in der Welt machst du hier? Deine Mutter war hier …« »Ich komme, um Jessica zu holen.«
»Aber du kannst sie doch nicht einfach so mitnehmen! Sie ist das Kindermädchen meiner Tochter.«
»Sie ist todkrank! Und es sieht nicht so aus, als ob sich hier im Hause jemand darum kümmert.«
»Todkrank? Unsinn«, lächelte Leonora Christina blaß. »Tancred, es war ein großes Privileg für dich, daß du hier eingelassen wurdest. Du bist ein Mann des Königs, und irgend jemand trachtet meinem Mann nach dem Leben. Aber dann solltest du auch deine Dankbarkeit beweisen und dich ordentlich benehmen.« »Wo ist sie?« unterbrach Tancred sie.
Leonora Christina kniff die Lippen zusammen. Steif beauftragte sie eines der Hausmädchen, »diesen jungen Rüpel« zu Jessicas Zimmer zu begleiten.
Tancred folgte dem Hausmädchen mit so großen Schritten, daß sein Umhang nur so flatterte.
Er blieb an der Türschwelle stehen und sah Jessica an. »O du lieber Gott«, murmelte er.
Das feingeschnittene Gesicht war völlig abgezehrt, mit blauen Schatten um die tiefliegenden Augen. Es machte den Anschein, als könnte sie nicht richtig sehen, und als würde die Anstrengung ihr große Schmerzen bereiten. Das Hausmädchen wollte anstandshalber dableiben, aber Tancred bedeutete ihr, zu gehen. Sie verschwand nur zögernd, dachte aber, daß es Jessica so schlecht ginge, daß nichts Unanständiges passieren könne. »Jessica, was ist denn nur geschehen?«
»Ich weiß nicht, Tancred«, flüsterte sie. Jetzt sah sie noch deutlicher, wie erwachsen er geworden war, hörte, wie tief
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