Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
Gelenken hatte auch abgenommen.
Es klopfte an der Tür. Cecilie erschien mit dem Frühstückstablett.
Noch nie zuvor hatte Jessica ein so üppiges Frühstück gesehen! Brotscheiben, dick belegt mit Butter und Käse, Schinkenscheiben, so groß wie Teller, Milch und Äpfel. »Wie geht es dir, meine Kleine?« fragte Cecilie freundlich. »Hast du gut geschlafen?«
»Ausgezeichnet, danke! Ich fühle mich schon viel besser. Das hört sich vielleicht dumm an, aber es ist wahr.« »Wie schön. Hier hast du etwas zur Stärkung. Meinst du, du kannst dich aufsetzen?« Jessica zögerte. »Ich weiß nicht…«
»Ich verstehe. Vielleicht besser, du bleibst liegen. Ich helfe dir mit dem Essen.«
»Ich überlege nur… Könnte ich etwas anderes als Milch haben? Bei Ulfeldts habe ich jeden Abend einen großen Becher voll getrunken und nachts dann immer diese entsetzlichen Schmerzen gehabt. Aber heute geht es mir richtig gut. Vielleicht kann ich keine Milch vertragen?« Cecilie sagte leichthin: »Ich habe schon von Kindern gehört, die keine Milch vertragen. Aber du hast doch früher welche getrunken, oder?«
»Sicher. Vielleicht nur ein dummer Gedanke…« »Nein, wir lassen das mit der Milch. Wir werden ja sehen, ob es hilft. Ich werde Bescheid geben, daß man dir statt dessen Bier bringt. - Tancred ist so süß«, sagte Cecilie während sie Jessica mit dem Essen half. »Ich weiß, daß er es verabscheut, als süß bezeichnet zu werden, aber ich spreche nicht vom Aussehen. Er denkt immer mit tiefer Hingabe und leiser Wehmut an dich, hat er mir erzählt. Und daß er sich schon seit langem gefragt hat, wie es dir ergangen ist. Ich hätte ihm deine Adresse vielleicht schon viel früher geben sollen, aber Tancred war vorher so unreif und aufbrausend, vielleicht hätte er dein Versteck an jemanden verraten - und dann hätte der liebeskranke Holzenstern dich wieder belästigt. Du solltest seine gestrige Rettungsaktion als Wiedergutmachung für das Unrecht ansehen, das er dir damals angetan hat.« Jessica nickte. Als etwas anderes hatte sie das Ganze auch nicht betrachtet. Er mußte seit damals ja schon an die zwanzig Freundinnen gehabt haben.
Sie brachte es nicht über sich, zu fragen, ob er im Augenblick eine feste Freundin habe.
Bevor er an diesem Vormittag zu seiner Einheit zurück nach Kopenhagen mußte, erschien er bei ihr im Zimmer. Jessica fand ihn überwältigend, wie er da so vor ihr stand, und bat ihn schüchtern, Platz zu nehmen.
»Ich habe nur ein paar Minuten Zeit«, sagte er, setzte sich trotzdem und schob den Stuhl näher ans Bett. »Wie fühlst du dich jetzt?«
»So gut, wie schon lange nicht mehr«, antwortete sie. »Danke, daß du gekommen bist!«
»Ich bin froh, daß du jetzt hier bist. In Kopenhagen ist jetzt der Teufel los, sagt Vater.«
»Weil ich weg bin?« fragte sie mit skeptischem Lächeln. »Nein, natürlich nicht.« Er lachte kurz. »Aber die Aussage dieser unglaublichen Dina Vinshofvers, Ulfeldt habe gegen den König einen Giftmord geplant, hat sich als wahr erwiesen, während ihr Gerede von einem geplanten Attentat auf Ulfeldt nur Unsinn war. Im Schloß herrschen chaotische Zustände. Nicht Ulfeldt ist der Bedrohte, sondern der König. Man hat nicht nur alle Eingänge zum Schloß gesperrt, sondern auch die Kanonen in Stellung gebracht, und man bewacht das Schloß viel strenger als zuvor. Es heißt, daß die Panik sich über das ganze Land verbreitet hat. Besonders die unzufrieden Adeligen aus dem Kreise Corfitz Ulfeldts sind jetzt schlecht dran. Und Leonora Christinas einziger Bruder, Waldemar Christian oder wie er heißt, hat sich ja schon lange in seiner Ehre gekränkt gefühlt, weil er keine Apanage mehr kriegt. Ihn überwacht man jetzt ganz besonders.«
Jessica konnte ihren Blick nicht von ihm wenden. Sie fühlte sich ihm gegenüber ganz klein und fremd. Sie wollte so gerne etwas Intelligentes sagen.
»Diese Dina hat es ja wirklich hingekriegt. Alles wird hinter vorgehaltener Hand erzählt, aber nie nennt man die Dinge beim Namen. Keiner traut den anderen noch über den Weg.«
»Ganz richtig«, bestätigte er, und ein unglaublicher Stolz erfüllte sie. »In der Kirche warnen die Geistlichen die Leute vor diesen dunklen und unverständlichen Dingen und bezeichnen sie als Vorzeichen des Jüngsten Gerichts. Und es kann zu unerfreulichen inneren Unruhen im Lande kommen. Dänemark kann sich das nicht leisten. Ein Krieg gegen Schweden kann jeden Augenblick ausbrechen. Die Schweden konnten sich im
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