Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
getroffen haben. Da hast du verschwiegen, wer du warst. So war es auch bei den Ulfeldts. Wie du diese ernsthafte Krankheit verschweigen konntest, werde ich nie begreifen. Und ich verstehe noch weniger, daß niemand im Hause etwas gemerkt hat.« »Ach, einige haben schon gesehen, daß ich fürchterlich mager und schwach geworden war, und wollten mir helfen. Aber ich hab' gesagt, es wäre nichts.«
»Das ist so typisch für dich. Du mußt lernen, dich anderen anzuvertrauen.«
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß irgend jemand an mir Interesse hat, verstehst du? Darum bin ich auch so deprimiert. Ich bin eine Null, Tancred!« »Was meinst du damit?«
»Ich bin so entsetzlich unbedeutend, die Leute sehen einfach durch mich hindurch - als sei ich gar nicht da. Alle sind so stark und selbstsicher. Leonora Christina, deine Mutter - alle! Sogar die Hausmädchen bei Ulfeldts sind selbstsicher und wissen, was sie zu tun haben. Ich kann das nicht.«
»Nein, du willst immer nur rücksichtsvoll sein. Das ist lieb von dir, aber du mußt dich nun nicht selber auslöschen.«
Einen Augenblick schwieg Jessica. »Manchmal bin ich gar nicht so sicher, ob das wirklich echte, selbstlose Rücksicht ist. Manchmal glaube ich fast, ich tue das nur, damit man mich mag.«
»In all unserem Tun findet man immer einen Hauch von Egoismus«, erwiderte er mit tiefer, ruhiger und männlicher Stimme, die sie ganz glücklich machte. »Selbst das kleinste Almosen für einen Bettler können wir geben, damit wir uns lieb und gut fühlen. Aber du bist doch keine Null.«
»Doch, das bin ich. Ich bin diffus, habe keine Persönlichkeit, keine Ambitionen. Gar nichts.« »Das war ja eine entsetzliche Herabsetzung. Und eine Beleidigung mir gegenüber.« »Dir gegenüber?«
»Du warst meine erste Liebe, weißt du das nicht? Du kannst mir doch nicht unterstellen, daß ich einen schlechten Geschmack habe.«
Sie mußte widerwillig lachen, begann aber sofort zu jammern.
»Du darfst nichts Lustiges erzählen, Tancred! Beim lachen tut mir der ganze Körper weh.«
»Verzeih mir, ich werde todlangweilig sein.«
Er zog an ihren Haaren und legte sich wieder auf den Rücken.
Jessica sagte leise: »Langweilig bist du nicht, Tancred, aber so entsetzlich ernst. Du bist ein ganz anderer, als der, den ich einmal kannte.« Darauf antwortete er ihr nicht.
»Nicht nur ich bin verschlossen und zurückhaltend, auch glaube, du hast im Augenblick große Probleme, mein Freund.«
»Da hast du recht«, brach es aus ihm hervor. »Ich habe wohl noch immer so eine Tendenz, den Splitter in deinem Auge zu sehen, aber nicht den Balken in meinem. Verzeih mir!
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, unterstrich sie Unermüdlich. »Ich habe unfreiwillig mit angehört, daß… Du hast vor der Tür mit einem Mann gesprochen. Er hörte sich widerlich an.« Tancred schwieg. Sehr lange.
»Wenn ich mich nur jemandem anvertrauen könnte! Aber das Ganze ist so entsetzlich, so schrecklich, daß es mich bald umbringt, Jessica!«
Scheu sagte sie: »Mir willst du dich sicher nicht anvertrauen, ich bin ja nur eine Fremde.«
»Das bist du ganz und gar nicht! Du mußt dich nicht schon wieder unterschätzen, ich will das nicht! Aber im Augenblick bist du krank und brauchst deine Kräfte für dich selbst.«
»Tancred, ich würde sehr stolz und glücklich sein, wenn du mir dein Vertrauen erweisen würdest, damit ich dir helfen kann. Solche Hilfe hat mit Kräften nichts zu tun.« Er seufzte tief. »Auch wenn ich wollte, ich kann dir nichts erzählen. Wenn es nur um mich ginge… Aber das geht es nicht.«
Sehr diskret fragte sie: » Geht es um Geld? In dem Fall will und kann ich dir helfen. Ich habe Askinge und…« »Nein, Jessica, nein, dein Geld soll für so etwas Widerliches nicht gebraucht werden … O nein, ich kann darüber einfach nicht sprechen!«
»Ich will mich nicht aufdrängen. Aber du weißt, daß ich für dich da bin - wenn du jemanden brauchst.«
»Das weiß ich, und dafür danke ich dir auch! Deine Stimme klingt jetzt aber schwach und müde. Versuch, ein wenig zu schlafen.«
»Ja«, lächelte sie. »Weißt du Tancred, ich habe das Gefühl, daß wir uns immer im Liegen treffen. Ich meine…« Sie errötete im Dunkeln.
»Ich weiß, was du meinst«, lachte er. »Erst bin ich im Wald über dich gefallen. Hinterher haben wir beide mit einer Erkältung im Bett gelegen - das war die lächerlichste Erkältung der Welt«, er lächelte bei der Erinnerung. »Und jetzt das
Weitere Kostenlose Bücher