Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
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»Wo sind wir?« fragte sie leise. »Bei dir zu Hause?« »Nein, nein. In einem Wirtshaus. Auf halber Strecke. Ich habe nicht gewagt, in deinem Zustand noch weiter mit dir zu reiten. Du wirktest völlig entkräftet. So - jetzt ist es besser.«
Er breitete die Decke über sie aus, und sie atmetet erleichtert auf. Sie wußte ganz genau, wie abgemagert sie war, und wie erschreckend sie aussah.
Und das jetzt, wo sie so gern schön gewesen wäre. Sie wischte schnell die Tränen weg, die ihr schon wieder in die Augen stiegen.
»Tancred, was glaubt du, ist mit mir los? Ich habe solche Angst.«
»Keine Ahnung, Jessica, so etwas habe ich noch nie gesehen. Wenn wir erst zu Hause sind, wird alles besser werden. Wir bekommen Besuch von einem Arzt. Er kann uns sicher sagen, was dir fehlt. Möchtest du etwas essen: »Nein, danke.« »Einen Schluck Bier?« Ja gern, wenn es geht. Ist jetzt Nacht?« »Nein, erst spät am Abend.«
»Merkwürdig, Tancred, es tut gar nicht weh im Kopf. Im Magen auch nicht. Zu dieser Tageszeit haben die Schmerzen sonst immer eingesetzt und mich fast zur Verzweiflung gebracht. Sie werden wohl noch kommen.« Es bereitete ihr große Schwierigkeiten, ihm gegenüber einen natürlichen Ton zu finden, wie sehr sie sich auch anstrengte. Sie schämte sich viel zu sehr.
»Ich gehe frisches Bier holen. Das hier ist so abgestanden.« »Ach, ist doch nicht nötig …« Aber er war bereits gegangen.
Jessica blieb mit geschlossenen Augen liegen. Sie fühlte, wie sie einschlummerte, und ihre Schüchternheit gleichzeitig verschwand. Es war so friedlich, so eine gesegnete Ruhe…
Zwei Stimmen ließen sie zusammenzucken.
Tancreds Stimme vor der Tür. Und eine andere Männerstimme. Sie hörten sich wütend an, Tancreds jedenfalls. So angespannt, gequält.
»Laßt mich los! Können wir denn nie unsere Ruhe haben?«
Die andere Stimme war älter, sanft und drohend. Bedrohlich sanft.
»Na na, kleiner Junker, beruhige dich. Du weißt, was sonst passiert.« »Aber ich ertrage es nicht mehr.« »Aber ja doch, natürlich tust du das. Du erträgst noch viel mehr. Das hier ist erst der Anfang.« »Ihr lügt nur! Das ist nicht wahr.«
»Nein? Die Beweise befinden sich noch immer in meinem Gewahrsam. Sagen wir, am Samstag, ja? Hier, wie immer.«
»Ich bringe Euch um«, jammerte Tancred. »Ihr seid ein Teufel!«
»Ich bin nur ein armer Mensch, der sein tägliches Brot verdienen muß. Und ich glaube nicht, daß du mich umbringst. Dafür bist du viel zu wohlerzogen.« Er lachte leise und vielsagend. So verschwanden seine Schritte auf der Treppe nach unten. Jessica hörte Tancred tief Luft holen, bevor er wieder hereinkam.
Er war so wie immer, vielleicht war sein Lächeln ein wenig gequält, aber das war auch alles. »Hier hast du Bier.«
»Danke! Ach Tancred, ich fühle mich wunderbar.« »Das ist gut. So, setz dich auf - vorsichtig, ich stütze dich.«
Er hielt sie, um ihr das Trinken zu erleichtern. »Danke«, seufzte sie und legte sich wieder hin. Er blieb unsicher stehen. »Jessica, ich werde heute nacht hier bei dir im Zimmer bleiben. Ich wage es nicht, dich allein zu lassen. Ist es dir recht?«
Sie traf fast der Schlag. »Sicher«, sagte sie ruhig. »Das Bett ist ja riesengroß, und ich werde mich sehr sicher fühlen, wenn du hier bist.«
Er strahlte. Sie drehte sich um, während er sich auszog. So merkte sie, wie er ins Bett kroch und das Licht ausmachte.
Sie lagen im Dunkeln und sahen an die Decke. »Hast du Schmerzen?«
»Nein, ich verstehe das gar nicht. Nachts war es sonst immer am schlimmsten. Natürlich tut es mir hier und da weh, aber im Vergleich zu sonst ist das gar nichts.« Tancred ergriff unter der Decke ihre Hand. »Du sollst sehen, das kommt alles von meinem beruhigenden Einfluß«, sagte er lächelnd.
»Na sicher, ich wollte es nur nicht sagen - damit du dir nichts einbildest.«
Es gelang ihnen nicht, den munteren Ton beizubehalten. Dafür waren sie viel zu ängstlich. Sie lagen lange Zeit schweigend da. Sie schliefen beide nicht.
»Du weinst?« fragte Tancred und drehte sich zu ihr um. »Es ist nichts. Bin nur etwas deprimiert.« »Warum? Weil du krank bist?«
»Das natürlich auch. Aber wenn man so schwach ist, kommen Gedanken, die man sonst verdrängen kann.« »Welche? Erzähl.« »Nein.«
»Jessica, genau das ist dein Fehler. Du bist so zurückhaltend, alles schluckst du hinunter. Du wagst es nie, jemandem zu vertrauen. So warst du schon, als wir uns das erste Mal
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