Die Saga vom Eisvolk 10 - Wintersturm
sie einige Löffel voll gegessen hatte.
»Das sind Innereien von Wild, und das hier sind Markknochen, das ist eine gesunde Kost, iss weiter und mach dir keine Gedanken.«
Sie sah ein, dass sie ohne Essen nicht weiterkamen. Sie fand auch einiges an Gemüse und Wurzeln, dazu aßen sie einige Scheiben schwarzes Brot. Als die Schüssel leer war, waren beide gesättigt. Ja, sie fühlte die Wärme in ihrem Bauch. Später, als sie im Bett lag, spürte sie, wie die Wärme in ihren Körper zurückkehrte. War es wirklich erst vier Tage her, dass sie Elistrand verlassen hatte? Es war unfassbar, ihr ganzes Leben hatte sie in und um Elistrand verbracht. Nun hatte sie ein übles, erschreckendes Abenteuer vor sich. Vater - hatte er den Brief bekommen?
Was machten jetzt alle ihre Freunde daheim? Trotz all ihrer Sorgen wünschte sie sich, dass ihre Eltern nichts von der versuchten Vergewaltigung erfuhren. Sie hatte getötet, sie konnte nicht heim. Die Wahrheit überschattete alles, sie, Villemo Kalepstochter, hatte einen Menschen getötet.
Mit diesen Gedanken schlief sie ein.
Am nächsten Morgen zogen sie nach einem guten Frühstück weiter, der Wirt hatte ihr noch ein derbes Kleid mitgegeben, wahrscheinlich hatte Eldar ihn darum gebeten. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich an das Gehen mit ihren wunden Füßen gewöhnt hatte.
»Warum hältst du an, Eldar?«
»Du läufst wie auf glühenden Kohlen.«
»Ich habe Blasen unter den Füßen«, murmelte sie.
»Ach, meine Liebe«, sagte er mitfühlend, »ich glaube, dass Helden so was nicht spüren.«
»Helden«, zischte sie, »ich bin wohl kein Held.«
»Für mich bist du ein Held, du bist wacker, stark und unüberwindlich.«
»Was sagst du?«
»Sind die Blasen an deinen Füßen gar Illusionen?« schnarrte er.
»Meine Illusionen verschwanden vor langer Zeit.«
»Na, so lange kann das noch nicht sein, wir kennen uns noch nicht so lange - ich meine, als Erwachsene.«
Zeitweise wollte er gerne ein Held sein in ihren Augen.
»Ja, ich weiß, beim Stallbau hast du dich vor deinen Freundinnen gebrüstet.«
»Ach, das«, er lachte breit, »das war nur Angabe.«
»Ist das etwa nicht wahr?«
»Nein - du weißt ja, wie man so ein bisschen angibt vor jungen Mädchen.«
»Nein, das weiß ich nicht. Niklas und Dominic waren nicht so angeberisch, sie waren feine, wohlerzogene, rücksichtsvolle junge Männer.«
Dann schwieg sie lange. Auf dem Feldweg konnten sie nebeneinander gehen. Er ahnte, dass sie mit ihren Gedanken einige Zeit an einem anderen Ort war, und wusste, dass er noch keinen Platz in ihrem Leben hatte. Der Weg wurde schmaler, und sie ging wieder hinter ihm. Eine Schwermut befiel sie, verliebt sah sie ihn an. Die langen Beine, die schmalen Hüften und die breiten Schultern, die aschblonden, borstigen Haare… Sie dachte an sein Gesicht, die schmalen Augen und den breiten Mund mit Zähnen – oje, gleich einem gefährlichen Tier, dachte sie. Er war grob und vulgär in seiner Sprache, wenn er zornig war, aber er konnte auch anders sein, sie hatte es schon ein paar Mal erlebt. Eben deshalb liebte sie ihn. Sie war sich gewiss, dass sie einen Weg durch die brutale, harte Schale fand. Kurz gesagt - Villemo fiel in dasselbe Loch wie tausend andere Frauen vor ihr. Sie wollte eine verlorene Seele retten, wie alle anderen vor ihr. Wie viele Frauen hatten geglaubt, durch Liebe und Einfühlsamkeit ein dem Alkohol verfallenen Wrack zu retten. Wie viele hatten geglaubt, aus Rohlingen und Schlägern Engel machen zu können.
Villemo hatte schlechtere Karten als die anderen, sie war noch zu unreif und zu rechtschaffen. Er wollte sie mit primitiver Sinnlichkeit erobern. Sie wollte ihn verfeinert und edel sehen. Wer könnte, wer würde gewinnen? Es wird abhängig davon sein, wie der Winter und die Zeit die beiden formen wird.
»Ich bin nun Merete Foss, und wie heißt du?«
»Einar Foss, vergiss es nicht, merke dir den Namen.«
»Von wo kommen wir?«
»Von Christiana. Du hast dein Brot mit Betteln verdient, ich will dich von der Bettelei abbringen, deshalb suchen wir Arbeit in der Landwirtschaft. Wie geht es deinen Füßen?«
»Es geht besser«, sagte sie.
Nach einer Weile bog Eldar vom Weg ab und ging in den dichten Wald, sie folgte ihm. Im dichten Gebüsch blieb er stehen.
»Hier musst du das Kleid vom Wirt anziehen, in der Fellkleidung können wir nicht auf dem Hof erscheinen.«
»Wo ist der Hof?«
»In zehn Minuten sind wir da. Schnell, zieh dich um.«
Er ging ein
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