Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
und flog ohne zu zögern in den größeren der beiden hinein.
Die Tunnel schienen kein Ende zu nehmen. Immer wieder verzweigten sie sich und wurden gleichzeitig niedriger und
schmaler. Die Fledermauskolonie blieb weit hinter ihnen zurück und es gab auch keine Spinnweben mehr. Alles war leblos und leer, doch der kleine Funke führte sie zielsicher durch das finstere Labyrinth.
Plötzlich hielt er an und begann aufgeregt auf und ab zu tänzeln.
Dann flog er auf Sunnivah zu und verschwand wieder in dem Amulett.
»Sind wir…?«, begann Fayola, verstummte aber sofort.
Sunnivah legte mahnend ihren Zeigefinger auf die Lippen und eilte einige Schritte voraus. Trotz des flackernden Scheins der Fackel war die Anspannung in ihrem Gesicht deutlich zu erkennen, während sie lauschte. Irgendetwas in der Dunkelheit des Stollens hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.
Keiner wagte zu atmen. In dem Tunnel war es totenstill. Und dann hörten es auch die anderen. Aus dem Stollen vor ihnen ertönte leise ein heiseres Röcheln. Das rhythmische Geräusch klang wie der rostige Blasebalg einer Schmiede, besaß aber auch erschreckend große Ähnlichkeit mit dem Atem eines riesigen Tieres.
Als sie wieder zu den anderen trat, wirkte Sunnivah besorgt.
»Was ist das?«, flüsterte Fayola.
»Ich weiß es nicht.« Sunnivah zuckte ratlos mit den Schultern. »Aber als ich das letzte Mal hier war, gab es dieses Geräusch noch nicht.« Dann reichte sie Vhait die Fackel. »Ich werde mal nachsehen. Ihr wartet hier.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Als sie wieder zurück war, setzte sie sich schweigend auf den Boden, stützte den Kopf in die Hände und starrte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Ihre Schultern bebten.
»Was ist los?« Fayola kniete sich neben ihre Freundin und fasste sie am Arm. »Was hast du gesehen?«
»Wir sind da«, erwiderte Sunnivah leise und deutete in den Stollen. »Hundert Schritte vor uns ist die Höhle mit der Tür. Aber wir können sie nicht erreichen. Vor der Tür wartet ein, ein…« Ihr fehlten die Worte.
»Ein was?«, fragte Fayola. Doch Sunnivah antwortete ihr nicht. Schweigend starrte sie weiter in den dunklen Gang.
»Dann sehe ich es mir eben selbst an.« Fayola sprang auf und verschwand in dem Stollen. Sie war noch nicht weit gegangen, da schlug ihr ein scharfer Geruch entgegen. Fayola konnte sich seinen Ursprung nicht erklären, aber er wurde immer schlimmer, je weiter sie in den Stollen vordrang. Dann erkannte sie vor sich einen Lichtschein. Den Rücken fest an die Wand gedrückt, schob sie sich langsam auf den Stollenausgang zu. Aus dem scharfen Geruch war inzwischen ein unerträglicher Gestank geworden. Fayola musste sich die Hand auf den Mund pressen, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken.
Vor dem Eingang zur Höhle war der Gestank so stark, dass er ihr das Atmen fast unmöglich machte. Fayola nahm all ihren Mut zusammen und spähte um die Ecke.
Was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Vor der Tür, hinter der sich der Stab der Göttin befinden musste, kauerte ein monströses, gepanzertes Wesen. Es war so groß, dass es aufgerichtet die Decke der Höhle berühren musste. Seine vier, mit säbelartigen Klauen bewehrten Arme waren überlang und besaßen jeweils drei Gelenke. Auf seinem dicken wulstigen Hals saß ein unförmiger Kopf mit zwei Gesichtern. Jedes Gesicht hatte nur ein einziges großes Auge. Es leuchtete grün und befand sich genau in der Mitte des massigen Schädels. Ein Auge war der Tür zugewandt, während das andere regungslos in die Höhle starrte.
Trotz der geöffneten Augen schien das Monstrum zu schlafen. Wie versteinert saß es da und bemerkte Fayola nicht.
Die Kriegerin hob einen kleinen Stein auf und warf ihn in die Höhle.
Sofort schnellte der Kopf des Monstrums herum. Ein drohendes Knurren kam aus seiner Kehle. Gleichzeitig schoss ein dünner grüner Lichtstrahl aus seinem Auge hervor und traf den Stein noch während des Fluges. Dieser glühte kurz auf und fiel als leuchtender Funkenregen zu Boden.
Fayola hatte genug gesehen. Sie warf noch einen letzten Blick auf das Ungeheuer. Dann zog sie sich lautlos zurück.
Als sie wieder bei den anderen war, blickte Sunnivah sie fragend an. Fayola nickte stumm und setzte sich zu ihr.
»Es stimmt«, sagte sie leise. »Wir haben ein großes Problem.« Mit wenigen Worten schilderte sie den anderen, was sie in der Höhle gesehen hatte.
Lange sagte keiner ein Wort.
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