Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
fragte sie.
Vhait nickte. »Darauf hast du mein Wort!« Wortlos zog Sunnivah ihr Messer und löste seine Fesseln.
»Sunnivah, bist du verrückt?«, stieß Fayola hervor.
»Nein, ich vertraue ihm!«, erklärte Sunnivah und ging zur Tür. »Folgt mir«, sagte sie leise. »Aber achtet darauf, dass ihr immer in dem Licht bleibt.« Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat wieder in den Gang hinaus.
Im Schein des Amuletts verborgen folgten sie unbemerkt den langen Fluren. Niemand beachtete sie. Wie Geister bewegten sie sich unter den aufgeregten Menschen und ließen das Beben und Donnern schon bald hinter sich zurück.
Plötzlich hielt Fayola an. »Warte in den Gängen auf mich«, bat sie Sunnivah. »Es gibt da noch etwas, das ich tun muss.« Verstohlen sah sie sich um und trat aus dem Leuchten heraus. Sunnivah blickte ihr verwundert nach. Sie sah, wie Fayola eilig eine lange Treppe hinauflief. Dann war sie nicht mehr zu sehen.
Es sah ganz so aus, als müsste sie den Stab alleine holen.
Tarek und Asco-Bahrran knieten demütig vor dem schwarzen Thron und pressten die Stirn auf den eisigen Boden. Sie hatten keine Antwort auf die Frage des Erhabenen und suchten verzweifelt nach den richtigen Worten.
»WIE?«
»Vielleicht war es einer der Diener, erhabener Meister«, versuchte der Meistermagier vorsichtig zu erklären. »Der Stein ist sehr wertvoll und…«
»SCHWEIG!« Ein greller grüner Blitz schoss aus dem wallenden Nebel unter der weiten Kapuze des Erhabenen hervor und bohrte sich zischend neben dem Meistermagier in den Boden. »Welche Ausrede hast du vorzubringen?«
Die Frage galt Tarek. Der oberste Kriegsherr spürte den Blick An-Rukhbars auf seinem Rücken und erschauerte. Er hatte einen schlimmen Verdacht, wagte jedoch nicht ihn auszusprechen.
»SPRICH! Ich spüre, dass du etwas weißt.«
Tarek schluckte. Es hatte keinen Sinn, zu schweigen. »Nun«, begann er vorsichtig. »Ich hatte heute Abend eine heftige Auseinandersetzung mit meinem ältesten Sohn. Er hat in den letzten Mondläufen viel durchgemacht und…«
»Deine Familie interessiert mich nicht«, zischte An-Rukhbar gefährlich leise. »Sag mir, wo der Stein ist!«
»Ich fürchte, mein Sohn hat ihn«, gab Tarek widerstrebend zu. »Er wurde am Abend in der Nähe des Thronsaals gesehen und ist seitdem spurlos verschwunden.«
»Dein Sohn? Wie kann das Fleisch und Blut meines obersten Kriegsherrn es wagen, sich gegen mich aufzulehnen?«
Tarek zuckte zusammen. Er wusste, dass Vhaits unglaubliche Tat auch auf ihn zurückfiel, und hoffte inständig, dass er sich täuschte.
»Ich werde meinen Sohn finden, Erhabener«, sagte er mit fester Stimme. »Sollte er den Stein tatsächlich gestohlen haben, wird er seine gerechte Strafe erhalten.«
»NEIN!« Die donnernde Stimme An-Rukhbars ließ den Boden erneut beben. »Nicht du wirst ihn bestrafen, Versager. Ich werde es tun! Ich lasse ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen und sie als Warnung vom höchsten Turm der Festung wehen. Jeder in diesem verfluchten Land soll sehen, wie es dem ergeht, der seine Hand gegen mich erhebt.« Er machte eine Pause und Tarek spürte den unheimlichen Blick An-Rukhbars auf sich ruhen. »Wenn du mir den Stein nicht bald zurückbringst, wirst du für dein Versagen büßen«, drohte An-Rukhbar. »Du hast schon zu oft versagt. Der Sequestor wird dann deine Aufgaben übernehmen.« Erst jetzt schien An-Rukhbar aufzufallen, dass der oberste Richter noch immer nicht zugegen war. »Wo bleibt der Sequestor?«
Tarek und Asco-Bahrran sahen sich unsicher an. Auch sie hatten den Sequester seit dem Abend nicht mehr gesehen.
»Geht jetzt!« An-Rukhbar beendete die Audienz mit einer knappen Geste, kehrte jedoch nicht in seine Dimension zurück, sondern blieb auf dem Thron. »Und schickt mir sofort den obersten Richter. Ich warte nicht gern!«
Draußen auf dem Flur atmete der Meistermagier erleichtert auf. »Euch bleibt nicht viel Zeit, um den Dieb zu finden«, meinte er mit einem kurzen Seitenblick auf Tarek. »Ich halte es zwar für unwahrscheinlich, dass der Dieb die wahre Bedeutung des Steins kennt. Dennoch werde ich Meister Sempas vorsichtshalber mit einem Dutzend Krieger zur verbotenen Tür schicken.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Sohn so etwas machen würde.« Tarek hatte die Worte des Meistermagiers gar nicht gehört. Er konnte noch immer nicht glauben, dass Vhait den Stein gestohlen haben sollte, und seine Gedanken beschäftigten sich mit ganz
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