Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Wand.
»Der Felsen schmilzt!« Der erregte Ausruf des Druiden lenkte Sunnivahs Aufmerksamkeit wieder auf den Stein, in dessen Mitte sich der Stab langsam zur Seite neigte.
Entschlossen streckte sie die Hand aus und griff nach ihm.
Er war sehr heiß. Überrascht zog Sunnivah ihre Hand zurück und tastete an ihrem Hals nach dem Stoffstreifen, der ihr zuvor als Mundschutz gedient hatte. In fliegender Hast öffnete sie die Knoten und wickelte den Streifen um ihre Hand. Dann griff sie erneut nach dem Stab und zog ihn mit einem einzigen kräftigen Ruck aus dem Felsen.
Als der Wächter den Stab in ihren Händen sah, gebärdete er sich wie wild. Immer dichter schlugen seine Funken sprühenden Blitze neben Sunnivah ein und glühende Gesteinsbrocken brannten Löcher in ihren Umhang.
»Naemy, ich habe ihn! Komm zu…!« Plötzlich brach Sunnivah ab, hob die Hände an den Kopf und schloss gepeinigt die Augen. Ein unerträgliches Knistern, Pfeifen und Rauschen wütete hinter ihrer Stirn und machte jede weitere Verständigung mit Naemy unmöglich. Noch einmal wagte sie den Versuch, die Verbindung zu ihren Gefährten wiederherzustellen, doch die Geräusche zwangen sie sogleich, ihre Bemühungen aufzugeben.
Als ihr Blick wieder klar wurde, traute sie ihren Augen nicht. Fassungslos starrte Sunnivah auf den schwarzen Felsen, in dem noch bis vor kurzem der Stab der Göttin gesteckt hatte.
Das Amulett!
Starr vor Entsetzen sah sie ihren Talisman in dem geschmolzenen Gestein versinken. Langsam und unaufhaltsam glitt er immer tiefer in die glühende Lava und verlor dabei mehr und mehr an Kraft. Gleichzeitig wurde der glühende Ring in dem Felsen immer kleiner und erkaltete von den Rändern her. Der Prozess beschleunigte sich, je weiter das Amulett versank. »Nein!« Sunnivah ließ den Stab fallen und griff nach dem Lederband ihres Amuletts. Das grüne Feuer des Wächters zischte nur knapp an ihr vorbei, doch Sunnivah achtete nicht darauf. Mit aller Kraft zerrte sie an dem Band und versuchte den Talisman aus dem Stein zu befreien. Aber es war zu spät. Der Felsen wurde wieder fest und schwarz und das Lederband zerriss in ihren Händen.
»Nein!« Wütend schlug Sunnivah mit der Faust auf den schwarzen Stein. Im gleichen Moment traf ein Blitz des Wächters den Felsen und seine Wucht schleuderte sie zurück. Benommen blieb sie an der Höhlenwand liegen und spürte, wie der Boden bebte. Sie versuchte ihre Benommenheit abzuschütteln, doch die Sterne vor ihren Augen hörten nicht auf zu tanzen und das Rauschen in ihren Ohren wollte sich einfach nicht beruhigen.
»Erhebe dich, Schwertpriesterin. Schnell! Die Höhle wird gleich einstürzen.« Wie durch einen dichten Nebel hörte sie die Stimme des Druiden. Noch länger brauchte sie, um den Sinn seiner Worte zu verstehen.
Doch dann reagierte sie ohne zu überlegen. Die Sterne vor ihren Augen waren einem grauen, alles verdeckenden Nebel gewichen, den nur die vereinzelten Blitze des Wächters noch zu durchdringen vermochten. Hastig kniete sie sich hin und suchte auf dem Boden nach dem Stab, der irgendwo zwischen ihr und dem Felsen liegen musste. Endlich fanden ihre tastenden Finger, wonach sie suchte. Sunnivah nahm den Stab der Göttin an sich und schob sich vorsichtig an die rückwärtige Wand der Kammer.
Der Boden bebte nun immer stärker. Sunnivah hatte das Gefühl, auf einem bockenden Pferd zu sitzen. Vergeblich tastete sie mit ihren Händen nach einem sicheren Halt, denn auch die Wand hinter ihr bewegte sich, als sei sie ein lebendiges Wesen und nicht aus massivem Fels.
Sunnivah hörte das Bersten riesiger Steine, die sich von der Höhlendecke lösten und auf dem Boden zerbarsten. Dicke Felsnadeln fielen herunter und bohrten sich wie Speere in die breiten Risse, die sich nun überall im Boden auftaten.
»Was ist das?« Obwohl Sunnivah die Frage schrie, war ihre Stimme in dem Dröhnen und Krachen kaum zu verstehen.
Der Nebel vor ihren Augen hatte sich inzwischen so weit geklärt, dass sie zumindest die Umrisse in ihrer näheren Umgebung erkennen konnte. Der Druide schwebte direkt neben ihr und antwortete auf ihre Frage. Aber es war Sunnivah unmöglich, seine Worte zu verstehen. Hinter ihr knirschte das Gestein und der Wächter gab ein triumphierendes Brüllen von sich. Das Beben hatte die Öffnung, in der er feststeckte, stark vergrößert und es ihm ermöglicht, seinen massigen Oberkörper tief in die enge Höhle zu schieben. Endlich gelang es ihm, seinen Kopf so zu drehen, dass
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