Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Der Druide malte mit seiner Hand ein verschlungenes Zeichen in die Luft und die ganze Kammer wurde von einem matten blauen Licht erhellt.
Sunnivah sah den Stab sofort. Er befand sich in der Mitte des Raumes und steckte bis zur Hälfte in einem schwarzen Felsen. Eilig trat sie vor und betrachtete ihn eingehend.
Er war wunderschön, etwas länger als Sunnivah und in einem Stück aus poliertem, schwarzem Holz gearbeitet, das selbst in dem schwachen blauen Licht noch glänzte. Das obere Ende zierte eine kunstvoll gearbeitete, mit fremdartigen Schriftzeichen versehene silberne Hülle, die von einer goldenen Sonnenscheibe gekrönt wurde, auf der sich eine symbolische Nachbildung der Zwillingsmonde To und Yu befand. Sie zeigte die ebenmäßigen runden Körper der Monde, die sich unter einem sternenübersäten Himmel küssten.
Trotz der drohenden Gefahr, die noch immer von dem Wächter ausging, durchströmte Sunnivah bei dem Anblick ein heftiges Glücksgefühl. Sie war am Ziel!
Ohne auf die Schmerzen in ihrer Schulter zu achten trat sie vor den Felsen, ergriff den Stab und zog kräftig daran.
»Er steckt fest«, sagte sie enttäuscht. »Ich bekomme ihn nicht heraus.«
»Du musst es schaffen. Du bist die Schwertpriesterin«, erwiderte der Druide. »Die Göttin hätte dich nicht erwählt, wenn du nicht in der Lage wärst, es zu vollbringen.«
»Aber wie?« Sunnivah streckte die Hand aus und berührte den Stab noch einmal. Er steckte so fest in dem Felsen, als wäre er ein Teil von ihm.
In diesem Moment gelang es dem Wächter, ein weiteres Stück Felsen aus der Wand zu brechen. Die Öffnung war jetzt so groß, dass er seinen halben Oberkörper und zwei der vier Arme in die Höhle strecken konnte.
Als er feststellen musste, dass seine Arme nicht lang genug waren, um Sunnivah zu erreichen, brüllte und fauchte er vor Wut. Grüne Blitze schossen aus seinem gesunden Auge. Wo immer sie auf die Felswand trafen, sprengten sie mit einem lauten Knall kleine Brocken aus dem Gestein, die von einem Funkenregen begleitet zu Boden fielen. Der Wächter steckte jedoch so unglücklich in der Felsöffnung, dass er es nicht schaffte, seine Blitze in Sunnivahs Richtung zu lenken. Rasend vor Zorn zwängte er seinen Körper immer weiter in die Höhle hinein und versuchte dabei seinen Kopf so zu drehen, dass er Sunnivah im Blick hatte. Nadelspitze Felszacken der Öffnung hatten sich tief in seine pelzige Haut gebohrt, doch obwohl ihm jede Bewegung höllische Schmerzen bereiten musste, setzte der Wächter seine Bemühungen fort, bis er schließlich ganz in der Öffnung stecken blieb.
»Du musst dich beeilen«, drängte der Druide. Seine Stimme ging in dem wütenden Brüllen des Wächters fast unter.
Sunnivah überlegte fieberhaft. Der Talisman war das Einzige, das sie außer ihrem Schwert bei sich trug. Vielleicht konnte er ihr weiterhelfen. Hastig nahm sie ihn zur Hand und wartete. Der Stein blieb dunkel und kalt. Erst als Sunnivah das Amulett so dicht an den Stab heranführte, dass sie ihn fast damit berührte, spürte sie eine leichte Wärme.
Was nun?
»Berühre den Stein mit dem Amulett«, riet der Druide.
Wegen des zornigen Brüllens des Wächters hörte Sunnivah nur die Worte Stein und Amulett, aber sie verstand sofort. Ohne zu zögern legte sie den Talisman direkt neben dem Stab auf den schwarzen Felsen und wartete.
Unendlich langsam begann der Stein zu leuchten. Zunächst matt, doch dann immer stärker breitete sich sein Schein rings um den Stab aus und brachte den Felsen zum Glühen. Dann begann sich seine glühende Oberfläche an der Stelle, an der der Stab in dem Stein steckte, zu kräuseln und Blasen zu schlagen. Am Ende sah es so aus, als stecke der Stab inmitten eines Teiches aus glühender Lava.
»Sunnivah, wo bist du?« Naemys besorgter Ruf hallte in Sunnivahs Gedanken.
»Beim Stab«, antwortete sie knapp, ließ den Stein jedoch nicht aus den Augen. »Er steckt in einem Felsen, aber ich werde ihn bald herausziehen können.«
»Wir können nicht mehr zu dir kommen. Der Weg ist blockiert. Was sollen wir tun?«, fragte Naemy.
»Zieht euch zurück. Ich schaffe das auch allein. Es ist sicherer, wenn ihr die Höhle verlasst.«
Am Eingang zur Höhle polterten einige Felsen krachend in die Tiefe. Das Geräusch ließ Sunnivah erschrocken herumfahren. Der Wächter versuchte noch immer seinen Oberkörper so zu drehen, dass er Sunnivah in Reichweite seines Auges bekam, und brach dabei immer wieder kleinere Felsbrocken aus der
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