Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Heilerin zu holen.«
»Nein, bitte nicht«, bat Sunnivah mit zitternder Stimme. »Ich… muss nur etwas schlafen… Morgen kann ich… sicher weiterreiten.« Sie wollte unter allen Umständen verhindern, dass noch mehr Menschen erfuhren, wo sie sich aufhielten. Die Frau sah Sunnivah missbilligend an. »Es ist deine Entscheidung, Mädchen«, sagte sie in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie Sunnivahs Bitte für sehr unvernünftig hielt. »Aber dann werde ich dir wenigstens einen Tee bereiten, der dich schlafen lässt und dein Fieber senkt.«
»Danke, das ist sehr freundlich von Euch.« Sunnivah lächelte schwach, worauf die Frau eilig den Raum verließ.
»Warum hast du uns denn nicht gesagt, dass es dir nicht gut geht?«, fragte Fayola vorwurfsvoll, erhielt aber keine Antwort.
Kopfschüttelnd setzte sich die junge Kriegerin zu Vhait an den Tisch, um zu essen.
Sunnivah verspürte keinen Hunger. Fröstelnd zog sie sich die Decken noch enger um den Körper und versuchte zu schlafen. Aber der Schlaf wollte nicht kommen. So wartete sie ungeduldig darauf, dass die Frau mit dem Tee zurückkehrte. Endlich klopfte es und die Frau trat ein. Mit einem Becher, der randvoll mit heißem Tee gefüllt war, ging sie zu Sunnivah und half ihr sich aufzusetzen. »Trink, Mädchen«, sagte sie sanft und reichte Sunnivah den Becher. Der Tee war heiß und sehr stark und Sunnivah trank ihn mit kleinen Schlucken. Noch bevor sie den Becher zur Hälfte geleert hatte, spürte sie, wie sich eine angenehme Müdigkeit in ihr ausbreitete. Eilig schluckte sie auch den Rest des Tees hinunter und ließ sich auf das strohgefüllte Kissen zurücksinken. Das Zimmer begann vor ihren Augen zu verschwimmen und die sanften Wogen des Schlafes trugen sie mit sich fort.
Sunnivah hieß den Schlaf willkommen und ließ sich erleichtert in die Welt der Träume gleiten. Hier war es dunkel. Ruhe und Frieden umgaben sie von allen Seiten und Sunnivah fühlte, wie sich ihr geschwächter Körper langsam entspannte. Irgendwann nach einer endlosen Zeit der Dunkelheit spürte sie plötzlich, dass sie nicht mehr allein war. Ein seltsames Gefühl beschlich sie, das ihr irgendwie bekannt vorkam. Leuchtende orange Augen schienen sie aus der Dunkelheit heraus anzublicken und Sunnivah glaubte die graue Gestalt der Wölfin in ihrer Nähe zu erkennen. Sie wollte nach ihr rufen, stellte jedoch fest, dass sie keine Stimme besaß. Seltsamerweise beunruhigte sie diese Tatsache nicht. Das Gefühl, nicht allein zu sein, tat ihr gut und sie verspürte keine Furcht.
»Sei gegrüßt, Schwertpriesterin!« Die melodische Stimme einer Frau erklang aus der Dunkelheit. »Sei gegrüßt und höre gut zu, meine Tochter, denn was ich dir jetzt sage, werde ich nicht wiederholen.«
Vergeblich versuchte Sunnivah die Dunkelheit vor ihren Augen fortzublinzeln und zu erkennen, wen sie da hörte. Aber die Stimme sprach bereits weiter. »Du musst dich beeilen, den Himmelsturm zu erreichen«, mahnte sie. »Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Am Fuße des Berges wirst du deine Gefährten verlassen und den Berg allein besteigen. Lass die Bäume hinter dir und auch die Grenze, wo der Sommer den Schnee berührt. Hoch oben an der Nordseite des Berges findest du einen Felsen, der wie ein Finger zu den Sternen hinaufzeigt. Diesen Felsen musst du in der Nacht der Lichter erklimmen. Warte, bis To und Yu ihre Antlitze über den Horizont erheben. Wenn ihr Schein dich erreicht, strecke ihnen den Stab der Weisheit entgegen. Wenn du das Licht, das ihr Menschen Elfenfeuer nennt, am Himmel erblickst und die Berührung der Flammen auf deiner Haut spürst, darfst du den Stab loslassen.« Die Stimme verstummte. Sunnivah wollte etwas fragen, doch dann fiel ihr ein, dass sie ja keine Stimme besaß. So nickte sie nur zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. »Ich gebe dir meinen Segen, Schwertpriesterin.« Sunnivah fühlte, wie ein zarter Hauch ihr Gesicht berührte. »Sei vorsichtig, meine Tochter. Die finsteren Mächte werden versuchen dich aufzuhalten.« Die Frauenstimme klang jetzt deutlich schwächer.
Plötzlich ertönte ein lauter Knall.
Sunnivah zuckte erschrocken zusammen und öffnete die Augen. Der Traum war fort. Sie befand sich wieder in dem Zimmer des Gasthauses und blickte in das erschrockene Gesicht Fayolas, die gerade das Fenster öffnen wollte, um frische Luft hereinzulassen. Ein plötzlicher Windzug hatte ihr den hölzernen Riegel aus der Hand gerissen und das Fenster so heftig zugeschlagen,
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