Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
schloss sie die Augen und überließ sich den einschmeichelnden Worten, die ihre Sinne mit leisen Versprechungen umwarben und ihren Willen lähmten. Langsam, ganz langsam lösten sich ihre Finger von dem Felsvorsprung.
»Sunnivah, wach auf!«
Naemys erschrockene Stimme hallte durch Sunnivahs Gedanken und riss sie aus ihrer tödlichen Lethargie. Instinktiv packten ihre Finger wieder zu, doch ihr Bewusstsein löste sich nur widerwillig aus den süßen und sanften Träumen.
»Sunnivah, wach auf. Du darfst nicht aufgeben!«, drängte die Nebelelfe. »Reiß dich zusammen, es ist nicht mehr weit. Nur noch wenige Längen, dann hast du das Plateau erreicht.« Endlich drangen Naemys Worte durch das feine Gespinst, mit dem die Stimme Sunnivahs Geist eingehüllt hatte, und weckten in ihr den Willen weiterzugehen. Nur mit enormer Willensanstrengung gelang es Sunnivah, die betörende Stimme des Todes aus ihren Gedanken zu verdrängen und die Benommenheit abzuschütteln. Vorsichtig setzte sie ihren Weg fort. Der Schnee machte die Steine tückisch und häufig fanden ihre Hände und Füße auf dem glatten Untergrund keinen richtigen Halt. Mit dem Mut der Verzweiflung kämpfte sich Sunnivah durch das Schneetreiben, Schritt für Schritt auf das rettende Plateau zu.
Der Wind heulte jetzt wie ein wütendes Tier, dem die sicher geglaubte Beute zu entkommen drohte, und drängte sich mit aller Macht gegen sie. Um seinem Toben zu entgehen, presste sich Sunnivah dicht an die Felswand, wurde aber trotzdem immer wieder von heftigen Böen getroffen, die versuchten sie von der Wand zu fegen. Die Luft war inzwischen so eisig, dass ihr Atem an der Felswand gefror. Jenseits allen Schmerzes bewegte Sunnivah ihre Arme und Beine und betete darum, dass das Plateau bald vor ihr auftauchen möge. Als es schließlich so weit war, bemerkte sie es zunächst nicht. Plötzlich griff ihre Hand ins Leere und ihr Fuß stieß gegen einen Felsen.
Sunnivah war überrascht und verlor das Gleichgewicht. Instinktiv verlagerte sie ihr Gewicht zur Seite, um nicht in den Abgrund zu stürzen, und schlug hart mit der Schulter auf den gefrorenen Boden des Plateaus. Den Schmerz, der dem Sturz folgte, spürte sie kaum. Erleichtert, den Grat endlich hinter sich zu haben, blieb sie auf den kalten Felsen liegen und versuchte neuen Mut zu schöpfen.
Geschafft!
Ihre Botschaft galt Naemy, die irgendwo auf der Ebene vor den Toren Nimrods um ihr Leben bangte. Sunnivah blieb jedoch keine Zeit für eine längere Nachricht, denn um sie herum wütete der Sturm mit unverminderter Heftigkeit. Sie war am Ende ihrer Kräfte und musste dringend einen geschützten Platz finden, um sich auszuruhen. Auf allen vieren tastete sie sich voran und stemmte sich gegen den Sturm. Der Schnee nahm ihr die Sicht. Verbissen konzentrierte Sunnivah sich ganz darauf, wohin sie ihre Hände und Füße setzte, um nicht in eine versteckte Felsspalte zu stürzen. In ihren Gedanken hörte sie Naemys besorgte Rufe, doch sie hatte jetzt nicht die Kraft, der Nebelelfe zu antworten.
Oh Göttin, betete sie verzweifelt. Lass mich eine geschützte Stelle finden. Ich bin so müde. In diesem Moment blies der Sturm für einen winzigen Augenblick die Schneeflocken fort und gab den Blick auf eine Ansammlung großer Felsen frei, die in einer dichten Gruppe am Fuße einer steil aufragenden Wand standen. Die wenigen Schritte dorthin fielen Sunnivah unglaublich schwer. Mit letzter Kraft zog sie sich in den Schutz der Felsen. Dahinter war der Sturm fast erträglich. Ohne die eisige Kälte des Windes wurde Sunnivahs geschwächter Körper von einer trügerischen Wärme ergriffen, die es in Wirklichkeit jedoch nicht gab. Sie fühlte sich geborgen und wünschte sich nichts sehnlicher als hier auszuruhen. Erschöpft schloss sie die Augen und ergab sich ganz dem wohligen Gefühl, endlich in Sicherheit zu sein.
»Sunnivah, warum antwortest du mir nicht?« Naemys drängende Rufe störten Sunnivah an der Schwelle zum Schlaf.
»Lass mich in Ruhe, Naemy, bitte! Ich bin müde und muss schlafen«, antwortete sie matt.
»Nein, das darfst du nicht.« Panik schwang in der Stimme der Nebelelfe mit. »Wenn du schläfst, wirst du erfrieren. Hörst du mich, Sunnivah?«
»Ja.« Bilder einer blühenden Sommerwiese tanzten vor Sunnivahs Augen und die milden Sonnenstrahlen wärmten ihre kalten Glieder.
»Naemy, sieh doch! Hier gibt es eine wunderschöne Wiese, voller Blumen und Sonnenschein und…!«
»Sunnivah, du darfst die Wiese nicht
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