Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
eilig. »Ihr findet den Anführer in Tareks Gemächern. Und beeilt Euch, die Rebellen werden bald angreifen.« Er öffnete Meister Akim die Tür.
»Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Meister.« Die Stimme des jungen Magiers schwankte. Nur zögernd verließ er den Raum und trat in den Gang hinaus. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, eilte der Meistermagier an den langen Tisch zurück, auf dem sein eigener Zauber auf die Vollendung wartete. Es würde einer der mächtigsten werden, die er in seinem ganzen Leben gewirkt hatte. Der Moment war günstig und der Erfolg war ihm sicher. Die Verräterin war jetzt ganz allein auf dem Himmelsturm. Diese Närrin glaubte doch tatsächlich, dass sie dort einfach hinaufspazieren und den Stab an die Göttin zurückgeben könnte. Eine unverzeihliche Dummheit. Der Meistermagier lachte. Vorsichtig nahm er die Schale mit dem frischen Jungfrauenblut zur Hand und begann ein spiralförmiges Muster auf den Boden zu zeichnen, dessen Ränder verschlungene Runen zierten.
Er hatte das Muster soeben beendet, als ihm das Geräusch schlagender Flügel die Rückkehr seines Boten verkündete. Asco-Bahrran öffnete eine kleine, hölzerne Tür in der Wand, hinter der ein schmaler Schacht nach oben führte. Ein kleines, behaartes Geschöpf von kaum zu übertreffender Hässlichkeit hüpfte herein und flatterte auf den Tisch. In seinem roten gebogenen Schnabel trug es einen schweren Lederbeutel, dessen Inhalt unzählige nasse Flecken auf dem Tisch hinterließ. »Gut gemacht«, murmelte Asco-Bahrran, während er das zeternde Tier wieder in seinen Käfig sperrte und mit einer toten Ratte belohnte. Jetzt musste alles sehr schnell gehen. Er musste den Zauber vollenden, bevor der Schnee, den das Tier in dem kleinen Beutel mitgebracht hatte, ganz geschmolzen war.
Blut und Wasser, Feuer und Eis, Sturm und Schnee. Ein Zauber, der seinesgleichen suchte. Dagegen war die Verräterin machtlos. Nicht mehr lange, und der Stab würde ihm gehören.
8
Der Boden erzitterte unter den Schritten vieler tausend Männer und den stampfenden Hufen der Pferde, die von ihren Reitern nur mit großer Mühe zurückgehalten werden konnten, als sich das Rebellenheer Nimrod bis auf wenige hundert Längen näherte. Kjelt ritt an der Spitze. Den Blick starr geradeaus gerichtet, wartete er darauf, dass die gewaltigen Festungsmauern von Nimrod aus dem Dunst des späten Morgens auftauchten.
Sein Wallach ließ sich nicht von der Unruhe, die das gesamte Heer erfasst hatte, anstecken. Erhobenen Hauptes schritt das stolze Tier voran, als wäre es selbst der Anführer der Rebellen. Rojana ritt neben Kjelt. Gegen den ausdrücklichen Willen ihres Gefährten hatte sie sich in der letzten Nacht dazu entschlossen, an seiner Seite zu bleiben. Sie hätte es nicht ertragen, im Lager zu bleiben, dafür liebte sie ihn zu sehr, auch wenn sie ahnte, dass seine Gedanken jetzt bei einer anderen waren. Schatten von Sehnsucht, Trauer und Hass huschten über sein Gesicht. Er war am Ziel.
Sie wusste, dass Kjelt auf diesen Augenblick gewartet hatte, seit er den leblosen Körper der von ihm über alles geliebten Ilahja vor siebzehn Sommern dem Feuer übergeben hatte. Zu ihrer eigenen Überraschung verspürte Rojana keine Eifersucht. Sie hoffte nur, dass Kjelts unbändiger Hass und grenzenloser Kummer nach dieser Schlacht endlich Ruhe finden würden – wenn er sie überlebte.
Plötzlich zügelte Kjelt sein Pferd und bedeutete seinen Kommandanten das Heer halten zu lassen. Dann wandte er sein Antlitz der Festungsstadt zu. Rojana schüttelte ihre trüben Gedanken ab und folgte dem Blick ihres Gefährten.
Das Heer hatte die Ebene bereits zur Hälfte durchquert, befand sich aber noch außerhalb der Reichweite der riesigen Steinschleudern, deren beladene Arme schon hinter den Zinnen der vorderen Festungsmauern zu erkennen waren. Vor ihnen erhob sich die Sonne soeben über die Gipfel der Valdor-Berge und berührte mit ihren Strahlen die höchsten Türme Nimrods, die sich wie steinerne Finger aus dem feuchten Dunst über der Stadt erhoben.
Die Sonne stieg nun rasch. Der Dunst floh vor ihrer Wärme und gab zögernd den Blick auf die einstige Druidenfestung frei. Trotz der drohenden Gefahr fühlte sich Rojana auch diesmal von dem prächtigen Anblick Nimrods überwältigt. Aus dieser Entfernung hatte die Festungsstadt noch nichts von ihrer Herrlichkeit verloren. Neben sich hörte sie Kjelt leise mit seinen Kommandanten sprechen. Sein
Weitere Kostenlose Bücher