Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
eine unsichtbare Hülle und in seinem Innern zuckten tosende grüne Blitze. In diesem Moment ließ ein höhnisches Gelächter den Boden des Plateaus erzittern, dessen Echo von den schroffen Felswänden hundertfach widerhallte.
Erschrocken fuhr Sunnivah zusammen.
»Ja, zittere nur, Dienerin einer machtlosen Göttin!« Die dröhnende Stimme jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. Doch Sunnivah biss die Zähne zusammen, kämpfte die aufkommende Furcht nieder und blickte entschlossen nach oben. »Zeig dich!«, rief sie herausfordernd. »Ich habe keine Angst vor dir!« Offenbar ahnte der Erschaffer des Zyklons, dass Sunnivah sich längst nicht so sicher war, wie ihre mutigen Worte ihn glauben machen sollten, denn statt einer Antwort erhielt sie wieder nur ein höhnisches Gelächter.
Doch dann wurden die Blitze in der Mitte des Wirbels immer stärker und vor dem weißen Hintergrund aus Schnee erschien die unheimliche Gestalt eines Magiers. Sunnivah konnte seine Gesichtszüge unter der weiten, dunkelblauen Kapuze seines Magiergewandes nur undeutlich erkennen. Einzig die Augen funkelten in den Schatten wie glitzerndes Eis.
»Wer bist du?«, rief Sunnivah über das Tosen hinweg. »Fürchtest du dich so sehr, dass du dich hinter der Macht der Elemente verstecken musst, um mir gegenüberzutreten?«
»Ich fürchte dich nicht, Verräterin, denn du hast verloren!«, triumphierte der Magier. »Nur weil ich es wollte, bist du so weit gekommen. Ich habe dich hierher gebracht. Doch nun endet dein närrischer Versuch, dem erhabenen Herrscher von Thale zu trotzen. Ich werde dich so lange hier festhalten, bis du mir gibst, was du ihm gestohlen hast.«
»Niemals!« Sunnivahs Stimme blieb fest.
»Du Närrin.« Der Magier spie ihr die Worte entgegen. »Wenn ich die Gewalten des Wirbels entfessele, werden deine jämmerlichen Schutzfelsen binnen kürzester Zeit von mannshohen Schneemassen bedeckt sein. – Ein einsames, eisiges Grab für eine kleine, dumme Dienerin.«
Um seine Worte zu unterstreichen, schickte er eine weiße Schneelawine aus dem Zyklon zu der Stelle, an der Sunnivah stand. Der Angriff kam völlig überraschend und schleuderte Sunnivah zu Boden. Hustend befreite sie sich aus dem Schnee und richtete sich auf.
»Du bist ein Nichts, eine Versagerin. Nicht gefährlicher als ein störrisches Kind«, spottete der Magier. »Nie warst du eine ernst zu nehmende Gefahr für den Erhabenen. Deine schwächlichen Versuche, ihm zu trotzen, haben mich amüsiert, doch nun ist das Spiel vorbei. Ich werde dich zertreten wie ein lästiges Insekt und zurückbringen, was du ihm gestohlen hast.« Bei diesen Worten kam der tosende Zyklon immer dichter an Sunnivah heran. Sie spürte den ungeheuren Sog, der von ihm ausging, und stemmte sich mit aller Kraft dagegen an. Mit einer entschlossenen Bewegung zog sie den Stab der Göttin aus ihrem Rucksack und hielt ihn dem Magier drohend entgegen. »Ich warne dich, alter Mann«, rief sie mit dem Mut der Verzweiflung. »Wage es nicht, mich anzurühren.« Sunnivahs Stimme wankte nicht, doch der Magier wusste um ihre Unsicherheit und sein Lachen ließ den Berg erzittern. »Du dummes Ding! Niemand außer der Verbannten ist in der Lage, sich des Stabes zu bedienen«, erwiderte er geringschätzig. »Du langweilst mich!«
Wieder setzte sich der Wirbel in Bewegung. Sunnivah ließ den Stab sinken und duckte sich hinter die Felsen. Ihr Versuch, den Magier zu täuschen, war fehlgeschlagen und sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der ungeheure Sog ihr auch den letzten Schutz fortriss. Sie hatte verloren. Anthork hatte sich in ihr getäuscht. Naemys Hoffen war vergebens und Fayola umsonst gestorben. Die Rebellen würden scheitern, und das Einzige, was die Legenden von Thale einst über die Schwertpriesterin berichten würden, wäre, dass sie vielen tausend Menschen einen sinnlosen Tod gebracht hatte. Tränen stiegen Sunnivah in die Augen. So konnte es doch nicht enden. So durfte es nicht enden, nach allem, was sie durchgemacht hatte, und den selbstlosen Opfern der anderen.
Plötzlich huschte ein Schatten über sie hinweg.
Sunnivah hob erstaunt den Kopf und sah die Wölfin geduckt und mit sturmgepeitschtem Fell über sich auf dem Felsen stehen. Es grenzte an ein Wunder, dass der Sog sie nicht davonschleuderte, und Sunnivah fragte sich, wie das Tier wohl hierher gekommen sein mochte. »Flieh, wenn ich springe!« Die Worte der Wölfin erreichten Sunnivahs Gedanken nur sehr schwach über
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