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Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer

Titel: Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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erreicht und spähte aufmerksam voraus. Und wie so häufig, wenn sie ihre Heimat betrachtete, kam ihr der Gedanke, dass die bescheidene Ansammlung der zehn runden Hütten auf der großen, von hohen Bäumen gesäumten Lichtung ihren hochtrabenden Namen eigentlich nicht verdiente.
    Die hölzernen Bauten unterschiedlicher Größe dienten den Priesterinnen als Schlaf- oder Vorratshäuser und waren kreisförmig um ein großes rundes Gebäude, das Gebetshaus, errichtet worden. Von jeder Hütte führte ein steinerner Weg dorthin, denn das Gebetshaus war der zentrale Ort in der Gemeinschaft der Priesterinnen. Alle Zeremonien und Rituale wurden dort abgehalten und vor Sonnenuntergang versammelten sich dort alle Bewohner In-Gwana-Thses zum Gebet.
    Leise ging Sunnivah durch den kleinen Kräutergarten hinter dem Haus der Novizinnen. Die Geschöpfe der Nacht waren inzwischen erwacht. Fledermäuse jagten im Mondlicht zwischen den Hütten nach großen Faltern, die den Tag im Schatten der Bäume verschlafen hatten. Hoch oben in den Baumkronen riefen zwei Eulen und die leuchtenden Augen eines Fuchses blitzen kurz hinter einem Gebüsch auf.
    Sunnivah nahm all dies überdeutlich war, während sie mit ihren nackten Füßen langsam über die warme, feuchte Erde auf dem schmalen Weg zwischen den Beeten auf das Haus zu schritt. Doch die kleine Tür, die vom Garten aus ins Haus führte, war von innen verriegelt und sie sah sich gezwungen die Eingangstür zu benutzen.
    Als Banya-Leah, die Priesterinnenmutter der Gütigen Göttin, ihren Blick für einen Moment von den Aufzeichnungen erhob und aus dem Fenster sah, erkannte sie Sunnivah, die im hellen Mondlicht hinter dem Haus der Novizinnen hervorkam. Das weiße Gewand des Mädchens schimmerte silbern und ihr langes, rotes Haar flutete über die Schultern bis zur Hüfte hinab. Nachdenklich beobachtete die Priesterinnenmutter, wie Sunnivah die Tür des Schlafhauses öffnete und leise hineinschlüpfte.
    Morgen schon!
    Der Gedanke jagte ihr einen schmerzhaften Stich durch den Körper. »Oh, Göttin, warum schon morgen?« Sie seufzte leise, legte die Pergamente aus der Hand und schaute zu den Sternen hinauf.
    Wie schnell die Jahre doch vergangen waren. Aus dem winzigen, hungrig schreienden Säugling, den ihr die Nebelelfe Naemy vor sechzehn Sommern in die Arme gelegt hatte, war viel zu schnell eine junge Frau geworden. Damals war Banya-Leah noch nicht Priesterinnenmutter gewesen und hatte, nur wenige Sonnenläufe bevor die Nebelelfe in In-Gwana-Thse erschien, ihre eigene kleine Tochter im Alter von nur einem Mondlauf verloren.
    Man hatte ihr nichts verschwiegen. Von Anfang an hatte sie gewusst, welches Schicksal ihrer Pflegetochter bestimmt war, auch wenn Sunnivah selbst noch nichts davon ahnte. Traurig hoffte die Priesterinnenmutter, dass Sunnivah verstehen würde, warum sie ihr stets die Wahrheit vorenthalten hatte. Denn morgen würde auch sie alles über ihr Schicksal erfahren.
     
     
    Sunnivah hatte kaum geschlafen. Immer wieder war sie in wirre Träume und Visionen geglitten, an die sie sich jedoch nicht mehr erinnern konnte.
    Noch vor dem Morgengrauen stand sie auf und kleidete sich so geräuschlos an, dass sie keine der anderen Novizinnen weckte. Leise ging sie in den Garten hinaus und setzte sich hinter dem Haus auf eine Bank. Es war kühl. Die Vögel erwachten gerade. Auch wenn sie so spät im Sommer nicht mehr sangen, huschten sie doch geschäftig in den Büschen zwischen den Hütten umher.
    Sunnivah gähnte und blinzelte die Müdigkeit aus ihren Augen. Sie fühlte sich unausgeschlafen und ärgerte sich darüber. Was für ein schlechter Anfang für diesen Tag, dachte sie mürrisch und sah zu den Bäumen hinauf. Dort schickte die niedrig stehende Sonne gerade ihre ersten rotgoldenen Strahlen durch die Baumkronen und bedeckte den Boden mit einem komplizierten Muster aus Licht und Schatten. Müde lehnte Sunnivah ihren Kopf an die Hauswand und schloss noch einmal die Augen.
    »Ein schöner Morgen!«
    Sunnivah erschrak. Offenbar war sie noch einmal eingeschlafen, denn die Sonne stand schon über den Bäumen, und ihr Nacken schmerzte.
    »Ich habe dich gesucht.« Kyany, ihre beste Freundin, trat aus dem Haus und setzte sich zu ihr auf die Bank. Unter ihrem dünnen Mantel trug sie nur ein leinenes Nachtgewand und ihre schulterlangen, widerspenstigen Locken kringelten sich noch ungebändigt in alle Richtungen. »Bist du schon lange wach?«, fragte sie.
    »Ja, ich habe sehr schlecht geschlafen.«

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