Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
wurde von mehr als einem Dutzend schwer bewaffneter Krieger des Schlangenordens eskortiert.
Seltsam, dachte Fayola. Normalerweise gehörten solche mildtätigen Dienste doch nicht zu den Aufgaben dieser gefürchteten Einheit.
Sie selbst hatte keinen Befehl erhalten, die Menschen aus Nimrod zu begleiten, aber das kleine Mädchen klammerte sich so fest an ihre Hand, dass sie es nicht übers Herz brachte, es allein zu lassen. Um zu verhindern, dass die Schlangenkrieger sie entdeckten und ihr unangenehme Fragen stellten, wahrte sie einen ziemlich großen Abstand zu der Gruppe vor ihnen.
Ich begleite das Mädchen nur, bis es etwas zu essen bekommt, dann verschwinde ich von hier, dachte sie und lächelte der Kleinen aufmunternd zu.
Als die Menschen an dem Eingang zu den Küchen vorbeigeführt wurden, wunderte sich Fayola. Doch erst als die Krieger direkt auf den Kerker und die daneben liegenden Gebäude der Magier zuhielten, begann sie zu ahnen, wozu diese angebliche Verteilung von Nahrungsmitteln wirklich diente.
Ohne dass sie es wollte, krampfte sich ihre Hand um die des Mädchens. Gleichzeitig wurde sie immer langsamer. Hin- und hergerissen zwischen dem Gedanken an das, was dem unschuldigen Kind an ihrer Seite bevorstand, und dem drängenden Gefühl, sofort kehrtzumachen und dieses grausame Schauspiel einfach zu vergessen, starrte Fayola auf den immer näher kommenden Kerkereingang.
»Gibt es auch Äpfel?« Die Worte des Mädchens hallten in ihrem Kopf. Sie musste sich schnell entscheiden.
Verstohlen sah Fayola sich um. Die enge Gasse hinter ihnen war leer und die letzten Krieger schon weit voraus. Plötzlich fasste sie einen Entschluss. Ohne richtig zu überdenken, was sie tat, presste sie dem überraschten Mädchen ihre Hand fest auf den Mund. Dann hob sie es einfach hoch und lief, so schnell sie konnte, den Weg zurück.
Keinen Moment zu früh. Fayola hatte die Gasse noch nicht ganz verlassen, als sie hörte, dass hinter ihr lauter Tumult ausbrach. Vermutlich hatten jetzt auch die Gefangenen den Betrug bemerkt und begonnen, sich gegen ihre Eskorte zu wehren. Befehle wurden gebrüllt und lautstark nach Verstärkung gerufen. Unzählige Krieger liefen an Fayola vorbei und eilten ihren Kameraden zu Hilfe, während sie mit dem Mädchen in entgegengesetzter Richtung durch die engen Gassen rannte. Niemand beachtete sie. Unbehelligt erreichte sie die Unterkünfte der Kriegerinnen und betrat ihre Kammer. Dort setzte sie das zitternde Mädchen auf ihr Bett, nahm es in den Arm und lächelte ihm aufmunternd zu.
»Wie heißt du?«, fragte Fayola freundlich und strich dem Kind eine Haarsträhne aus der Stirn.
Das Mädchen war völlig verängstigt. Mit großen Augen sah es zu der Kriegerin auf und wagte nicht zu sprechen.
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Kleines«, erklärte Fayola und setzte sich neben das Mädchen. »Also, wie heißt du?«
»Alani«, antwortete das Mädchen leise und blickte zu Boden.
»Also, Alani«, begann Fayola. »Ich bin deine Freundin. Ich weiß, das ist schwer zu verstehen, so wie ich dich mitgeschleift habe, aber du musst es mir glauben.« Zärtlich nahm sie die Hand des Mädchens und streichelte sie sanft. »Du warst in großer Gefahr, Alani, und ich musste so handeln, um dein Leben zu retten. Hier bist du vorerst in Sicherheit. Ich würde dich auch wirklich gern zu deiner Familie zurückbringen, doch die Tore sind noch geschlossen. Deshalb musst du noch etwas bei mir bleiben. Verstehst du das?« Das Mädchen nickte stumm, aber Fayola war sich nicht sicher, ob sie wirklich verstand, was hier geschah. »Ich verspreche dir, dass ich gut für dich sorgen werde«, fuhr sie fort. »Sobald die Tore wieder offen sind, begleite ich dich nach Hause. Und noch etwas.« Fayola warf Alani einen verschwörerischen Blick zu. »Niemand darf dich sehen. Verhalte dich ganz ruhig. Es ist sicherer für uns beide, wenn keiner weiß, dass du hier bist!« Alani nickte wieder.
Fayola ließ sich rückwärts auf das Bett sinken. Und während sie die kahle Decke anstarrte, fragte sie sich plötzlich, welcher Dämon sie bloß dazu getrieben hatte, dem Mädchen das Leben zu retten.
6
Die Sonne schien an einem wolkenlosen Himmel. Über die steilen Hänge des Himmelsturms, dem höchsten Berg der endlosen Kette der schroffen, schneebedeckten Gipfel des Ylmazur-Gebirges, floss das eisige Schmelzwasser in unzähligen silbernen Bändern. Mühsam suchte es sich seinen Weg durch das zerklüftete
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