Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Menschen waren unterwegs. Meist waren es Händler oder Bauern, die sich auf den schlammigen Straßen ihren Weg nach Nimrod bahnten, um ihre Waren nach dem langen Winter auf dem großen Markt der Festungsstadt feilzubieten. Die Räder ihrer Wagen und Handkarren gruben sich tief in den weichen Boden und hinterließen dort ausgefahrene Wagenspuren, in denen sich sofort braunes, schmutziges Wasser sammelte. Nicht selten blieb einer der schwer beladenen Karren stecken und musste erst völlig entladen werden, bevor er seinen Weg fortsetzen konnte.
Das Chaos wurde immer schlimmer, je mehr sie sich der Festungsstadt näherten, Sunnivah und Mino-They sahen sich schließlich dazu gezwungen, an den Straßenrand auszuweichen. Hier war der Boden noch fest und die beiden Frauen kamen gut voran.
Acht Sonnenläufe nachdem sie Daran verlassen hatten, standen sie endlich vor den Toren Nimrods.
»Geht es hier immer so zu?«, fragte Sunnivah, die große Mühe hatte, Mino-They in dem Gedränge vor dem Tor nicht aus den Augen zu verlieren. Die Heilerin lachte. »Nein, so schlimm habe ich es auch noch nicht erlebt«, erklärte sie. »Es scheint viele Händler zu geben, die nach dem langen Winter auf ein gutes Geschäft in Nimrod hoffen.« Sie deutete auf eine breite, gepflasterte Straße, die sich zwischen zwei niedrigen Häuserreihen einen Hang hinaufschlängelte. »Wir müssen dort entlang«, sagte sie. »Eine Freundin von mir wohnt oben auf dem Hügel.«
Mino-Theys Freundin entpuppte sich als eine äußerst wohlhabende Heilerin, die ein großes gepflegtes Haus in der mittleren Festung besaß. Offensichtlich hatte Mino-They ihr bereits eine Nachricht über ihren Besuch zukommen lassen. Sie nahm Sunnivah und Mino-They herzlich bei sich auf und versprach, gleich am nächsten Morgen eine ihrer Schülerinnen zur inneren Festung zu schicken, um dort in Erfahrung zu bringen, wann in diesem Frühling die neuen Kriegerinnen rekrutiert werden sollten.
Fayola hielt den Augenblick für günstig.
Draußen wurde es bereits dunkel, aber die Straßen waren noch immer voller Menschen. Überall herrschte dichtes Gedränge.
Erst vor drei Sonnenläufen waren auch die Tore zur inneren Festung wieder geöffnet worden. Das einsetzende Tauwetter hatte die hungernden Menschen wieder in ihre Häuser zurückkehren lassen. Endlich konnte sie versuchen, Alani unbemerkt aus der Festung heraus und zu ihrer Familie zu bringen.
Aus dem anfänglichen Misstrauen, welches das Mädchen ihr gegenüber gezeigt hatte, war mittlerweile echte Zuneigung geworden. Die Kleine war Fayola ans Herz gewachsen. Sie musste jedoch so viel Zeit für das Mädchen aufwenden, dass selbst ihr Kommandant schon misstrauisch wurde. Es wurde höchste Zeit für Alanis Heimkehr.
»Komm, Alani«, sagte sie sanft und legte dem Mädchen ihre Hand auf die Schulter. »Jetzt bringe ich dich nach Hause.«
Erleichtert, dass nun alles ein gutes Ende nahm, führte Fayola Alani zielstrebig durch die überfüllten Straßen der inneren Festung. Dabei ließ sie das Mädchen nicht von der Hand.
Unbehelligt erreichten sie den großen Platz vor dem Tor zur inneren Festung. Auch hier hatten in diesen Tagen unzählige Händler ihre Stände aufgebaut, obwohl das eigentlich nicht erlaubt war. Trotz der späten Stunde wurde noch überall gehandelt und die junge Kriegerin sah sich gezwungen, auf dem breiten Weg zwischen den Ständen zu gehen, um in dem dichten Gedränge voranzukommen.
Plötzlich begann sich die Menschenmenge vor ihnen zu teilen. Respektvoll drängten sich die Leute an die Stände der Händler, um Platz für eine Sänfte zu schaffen, die sich mit einer Eskorte von sechs Kriegern ihren Weg über den Markt bahnte. Fayola erkannte sofort, dass es sich um die Sänfte des Sequestors handelte, und trat eilig zur Seite.
Besser, er sieht uns nicht, schoss es ihr durch den Kopf. Gleichzeitig zog sie Alani zur Seite und versuchte das Mädchen, so gut es ging, zwischen die Menschen hinter ihrem Rücken zu schieben. Dort war jedoch niemand bereit, für das Kind Platz zu machen, und Fayola blieb nichts anderes übrig als stehen zu bleiben und zu hoffen, dass der Sequestor sie nicht bemerkte.
Nur langsam näherte sich die Sänfte. Immer wieder mussten die Krieger der Eskorte von ihren Peitschen Gebrauch machen, um Menschen, die im Weg standen, zurückzutreiben. Als der Sequestor schließlich an Fayola vorbeigetragen wurde, hielt sie ihren Blick gesenkt und wagte nicht zu atmen.
»Halt!«
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