Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
sich die Heilerin und zog ihre schlammigen Stiefel aus.
»Ich habe schon alles fertig«, sagte Sunnivah. »Wann brechen wir auf?«
»Du weißt, dass ich lieber noch einige Sonnenläufe gewartet hätte«, erklärte Mino-They und deutete auf ihre Stiefel. »Der Frost steckt noch tief im Boden und die Wege bestehen nur aus Schlamm.« Die Heilerin bemerkte Sunnivahs Enttäuschung und lächelte. »Allerdings habe ich gerade mit einem Händler gesprochen, der aus Nimrod kommt. Er sagte mir, dass die Wege außerhalb Darans längst nicht so schlecht seien wie in der Stadt. Deshalb denke ich, wir sollten uns besser gleich auf den Weg machen.«
Der Händler hatte Recht gehabt.
Während es den beiden Frauen in Daran fast unmöglich gewesen war, die Straßen zu benutzen, und sie sich ihren Weg mühsam entlang des unwegsamen Straßenrandes hatten suchen müssen, kamen sie außerhalb der Stadt sehr viel besser voran.
Am frühen Nachmittag hielt Mino-They plötzlich an und sah prüfend zum Himmel hinauf. »Es sieht nach Regen aus«, stellte sie fest. »Nicht weit von hier gibt es eine verlassene Hütte. In ihr habe ich schon oft eine Nacht verbracht, wenn ich im Wald Kräuter sammelte. Wenn wir etwas schneller gehen, können wir sie erreichen, bevor es dunkel wird.«
Sie schafften es nicht ganz.
Ein böiger Wind kam auf und trieb dunkle schwere Regenwolken vor sich her. Schon bald verdeckten sie die Sonne und ließen das Tageslicht noch schneller schwinden. Fast gleichzeitig setzte ein so heftiger Regen ein, dass die beiden Frauen gezwungen waren zu laufen, um die Hütte nicht völlig durchnässt zu erreichen.
In der Hütte war es dunkel. Dennoch gelang es den beiden Frauen, genügend trockenes Holz für ein kleines Feuer zu finden. Danach hängten sie die regennassen Umhänge zum Trocknen auf und rollten sich nach einer kurzen Mahlzeit neben dem Feuer in ihre Decken, um zu schlafen. Sunnivah schloss die Augen. Sie war froh, die Nacht nicht im Freien verbringen zu müssen. Eine Zeit lang glitt sie noch an der Schwelle zum Schlaf entlang und lauschte dem Geräusch des Regens, der heftig auf das Dach prasselte. Dann war sie eingeschlafen.
Mitten in der Nacht erwachte sie. Regen und Wind hatten aufgehört und sie fror. Das Feuer war fast völlig heruntergebrannt. Vorsichtig tastete sie im Dunkeln nach den Holzscheiten, die Mino-They ganz in der Nähe bereitgelegt hatte, und warf drei davon in die Glut. Sie hatte Glück. Das trockene Holz entzündete sich sofort und mit den knisternden Flammen kam auch die Wärme zurück.
Sunnivah stand auf und befühlte ihren Umhang. Er war noch nicht ganz trocken, doch das war ihr egal. Sorgfältig breitete sie ihn über ihre Decke, rollte sich darunter zusammen und wartete darauf, dass der Schlaf zurückkehrte.
Plötzlich durchbrach ein silberner Lichtschein die Wolkendecke und im selben Moment heulte ein Wolf. Er musste sich unmittelbar neben der Hütte befinden, denn Sunnivah konnte seine leisen Schritte auf dem nassen Laub hören. Sie wagte nicht zu atmen. Angespannt zog sie die Decke noch fester um ihre Schultern und lauschte. Immer wieder umkreiste der Wolf die Hütte und mehr als einmal konnte Sunnivah seinen Atem durch das kleine Fenster neben der Tür hören.
Dann war er plötzlich fort. So leise, wie er gekommen war, verschwand er wieder in dem dichten Unterholz des Waldes.
Sunnivah atmete auf, schloss die Augen und wartete darauf, dass sich ihr hämmernder Herzschlag beruhigte. Auch wenn der Wolf dort draußen keine echte Gefahr für sie darstellte, hatte seine Gegenwart doch etwas Unheimliches und Bedrohliches an sich. Sie war froh, dass er endlich fort war.
Als die Dämmerung am nächsten Morgen ihr erstes zartes Licht in den Wald sandte, machten sich die beiden Frauen wieder auf den Weg. Die Luft war mild und der Himmel klar. Mino-They äußerte die Hoffnung, dass der Sturm der vergangenen Nacht den Winter nun endgültig vertrieben habe.
Sie kamen gut voran. Das milde, frühlingshafte Wetter blieb ihnen auch in den darauf folgenden Tage treu. So kam es, dass sie nur vier Sonnenläufe später die Wälder von Daran verlassen konnten und ihren Weg durch eine hügelige, grasbewachsene Ebene fortsetzten. Auch hier hielt der Frühling bereits Einzug. Der feuchte Boden dampfte im warmen Sonnenlicht und die letzten Schneefelder schmolzen dahin.
Zunächst begegneten ihnen nur ganz vereinzelt andere Reisende, doch je weiter sie sich der Festungsstadt näherten, desto mehr
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