Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
noch vorhandenen Eindrücke aufzunehmen. Magie! Fast greifbar lag die Aura der gewaltigen Energien, die hier vor kurzem freigesetzt worden waren, in der Luft. Und Blut! Der metallische Geruch, den das rund um den Käfig gezeichnete Pentagramm verströmte, nahm allmählich ab, ließ aber keinen Zweifel daran, woraus die rostrote Farbe bestand. Der strenge Raubtiergestank, den die Wesenheit von den Quarlinen kannte, war dagegen noch deutlich zu spüren und die vielen frischen Kothaufen im Innern des Käfigs zeugten davon, dass sich noch vor wenigen Augenblicken eine große Anzahl der gefährlichen Raubkatzen in dem Käfig aufgehalten hatten.
Aber wo waren sie?
Ein furchtbarer Verdacht stieg in der Wesenheit auf und ein unbestimmtes Gefühl drängte sie zur Eile. Sie musste sofort einen ruhigen Platz finden, von wo aus sie ungestört eine Nachricht an ihre Herrin senden konnte. Mit einer schwungvollen Drehung ließ sie Gnoorat kehrtmachen und erstarrte. Ein stämmiger Cha-Gurrlin stand unmittelbar hinter ihr und grinste sie an. Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter und entblößte zwischen den gebogenen Hauern ein lückenhaftes Gebiss, als er zu sprechen begann. »Gnoorat at suma tum a tereuism.il«, sagte er und zeigte auf den Käfig. Mit einem dumpfen, glucksenden Laut drückte er Gnoorat einen Reisigbesen und einen löchrigen Kupfereimer in die Hand und deutete auf die Kothaufen.
O nein! Nicht jetzt! Hinter Gnoorats Stirn überschlugen sich die Gedanken, während die fremde Wesenheit fieberhaft nach einer Ausrede suchte, um den Ort schnell verlassen zu können. »Sare akum neet nachsa ... «, ließ sie Gnoorat antworten, doch der Cha-Gurrlin duldete keine Widerrede.
»Darauf«, befahl er barsch und versetzte Gnoorat einen Stoß.
Die fremde Wesenheit hatte keine Wahl. Unwillig und zutiefst verzweifelt ließ sie Gnoorat mit der Arbeit beginnen. Wenn man sie nicht fortließ, musste sie von hier aus versuchen, eine Nachricht an ihre Herrin zu senden. Das war gefährlich, aber nicht unmöglich. Sobald sie unbeobachtet wäre, würde sie es wagen, denn sie fürchtete, dass das Leben vieler Menschen davon abhing.
Das Herz klopfte Kiany bis zum Hals, als sie an der Seite der Priesterinnenmutter die ehemaligen Höhlen der Kuriervögel betrat. Seit ihr am Nachmittag mitgeteilt worden war, dass der Sturm nachgelassen hatte und Naemy ihre Abreise schon für den selbigen Abend plante, hatte sie kaum noch etwas essen können und ungeduldig auf den Sonnenuntergang gewartet.
Immer wieder hatte sich Kiany ausgemalt, wie es wohl wäre, unter dem endlosen Sternenhimmel auf dem Rücken der riesigen felsengrauen Vögel über die schlafende Landschaft zu gleiten. Manous mahnende Worte, besser noch ein wenig zu schlafen, damit sie auf dem Flug durch die Nacht nicht von Müdigkeit übermannt würde, hatte Kiany einfach überhört. An Schlaf war an diesem Nachmittag wahrlich nicht zu denken. Schließlich hatte Manou es aufgegeben, ihrer Freundin Ratschläge zu erteilen, und sich darauf beschränkt, ihr beim Packen behilflich zu sein. Dafür war Kiany ihrer Freundin jetzt noch dankbar. Aufgeregt, wie sie war, hätte sie vermutlich die Hälfte der Sachen vergessen, an die Manou sie zum Glück noch erinnert hatte. So war das kleine Bündel vom Vormittag noch erstaunlich groß geworden und Kiany war froh, dass sie es endlich absetzen konnte.
In ihre Freude über den Flug hatte sich inzwischen aber auch etwas Angst gemischt. Unmerklich hatten sich die ersten Zweifel in ihre Gedanken eingeschlichen. Während sie sich mit der Priesterinnenmutter auf dem Weg zu den Höhlen befand, waren Fragen aufgetaucht, auf die Kiany keine Antworten wusste, und Schreckensbilder in ihren Gedanken entstanden, die sie verunsicherten. Plötzlich fürchtete sie sich vor der großen Höhe, den gewaltigen Riesenalpen und anderen unbekannten Gefahren, die sie auf ihrem Flug erwarten mochten. In kürzester Zeit hatte die Furcht es geschafft, ihre Vorfreude zu verdrängen, und obwohl sie dagegen ankämpfte, konnte Kiany es nicht verhindern, dass sie die große, von wenigen Fackeln spärlich beleuchtete Höhle mit weichen Knien betrat.
»Priesterinnenmutter, Kiany!« Aus den Schatten zwischen den imposanten Silhouetten der beiden Riesenalpe, die abflugbereit vor dem Höhleneingang hockten, löste sich Naemys schlanke Gestalt und trat auf die beiden Neuankömmlinge zu. »Wir sind so weit«, erklärte sie und deutete auf die beiden Vögel. »Der Sturm hat sich
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