Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
konnten.
Zusammengepfercht auf dem kleinen Plateau jenseits der Baumgrenze, inmitten des wild zerklüfteten Ylmazur-Gebirges, blickte die kleine Gruppe der Flüchtlinge dem übermächtigen Feind entgegen, der sich ihnen wie ein Bote des Todes näherte.
Bronadui lag ausgestreckt auf dem nadelbedeckten Boden unter den hohen Christalltannen und schien zu schlafen. Naemy hatte ihm die Freiheit gegeben, aber er war nicht weit gelaufen. Bald nachdem die Nebelelfen außer Sicht waren, hatte er sich am Fuße einer großen Tanne niedergelegt und sich nicht mehr bewegt.
Endlose Augenblicke verstrichen, in denen das Heulen des Windes wie ein Klagelied durch den Wald strich, dann hob der Falbe ruckartig die Lider und gab den Blick auf ein Augenpaar frei, das in einem orangefarbenen Licht schimmerte. Das schwache Glühen verstärkte sich rasch, und bald strömte aus den Augen ein helles Licht, das den gesamten Schädel einhüllte. Die Haut auf der Stirn pulsierte, als drängte etwas mit großer Macht von innen nach außen. Die Muskeln des Pferdekopfs arbeiteten völlig unnatürlich; das Tier entblößte die Zähne, zuckte mit den Ohren und bewegte zitternd die Nüstern. Zunächst waren die Bewegungen nur schwach und kaum zu erkennen, doch je heftiger das Pulsieren wurde, desto mehr gewannen auch sie an Stärke, bis sich schließlich der ganze Kopf wie eine unförmige lebendige Masse bewegte.
Und dann - ganz plötzlich - war es vorbei. Der Stirn des Falben entschlüpfte eine leuchtend orangefarbene Kugel von der Größe eines Apfels, das Licht in den Augen erlosch, und der gemarterte Körper erschlaffte. Für wenige Herzschläge schwebte die glühende Kugel über dem Körper des leblosen Tieres, dann bewegte sie sich mehrere Längen fort und löste sich in einem wogenden, leuchtenden Nebel auf, aus dem sich ganz langsam der Körper einer jungen Frau bildete.
Im selben Augenblick begann der Zerfall des Pferdekörpers. Die Haut des Hengstes färbte sich grau und spannte sich in so atemberaubender Geschwindigkeit um die Knochen, als verdorrte der Kadaver binnen weniger Herzschläge. Bald deutete nur mehr ein Haufen bleicher Knochen darauf hin, dass hier ein Pferd zu Tode gekommen war.
»Braves Tier«, murmelte die Frau. Die langen dunklen Haare umwallten ihr fein geschnittenes Gesicht, als wären sie schwerelos, und auf ihren Lippen zeigte sich ein dankbares Lächeln.
»Naemy gab dir die Freiheit - jetzt bist du wirklich frei.«
Ein letztes Mal blickte sie auf die Überreste des Wirtskörpers, dann schwebte sie wie ein Geist den Weg zurück, um zu sehen, wie es den Flüchtlingen erging. Sie war in großer Sorge und rechnete mit dem Schlimmsten, denn sie spürte die Furcht und das Entsetzen der Elfen selbst über die weite Entfernung hinweg und ahnte, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste.
Zielstrebig hielt sie auf den Hang zu, auf dem Naemy Bronadui fortgeschickt hatte, sah sich dann aber gezwungen, einen anderen Weg zu nehmen. Vor ihr im Schatten der Bäume bewegte sich etwas. Die Gruppe der Cha-Gurrlinen, die den Nebelelfen folgte, hatte überraschend schnell das Ende der Baumgrenze erreicht. Schon stürmten die ersten schwarzen Krieger den geröllübersäten Hang hinauf.
Plötzlich hatte es die junge Frau sehr eilig. Da sie nicht den herrschenden Naturgesetzen unterlag, war sie nicht auf festen Boden unter den Füßen angewiesen. Es spielte keine Rolle, ob die Cha-Gurrlinen ihr den Weg zur Klamm versperrten, für sie gab es andere Möglichkeiten, ihr Ziel zu erreichen. Mit einer leichten, streichenden Bewegung der Hände erhob sie sich über die Wipfel der Christalltannen und schwebte außerhalb der Sichtweite der Krieger in Richtung der Klamm, die, wie zu befürchten war, für die geflohenen Nebelelfen zu einer tödlichen Falle geworden war. Bereit, sich bis zum letzten Atemzug gegen das mörderische Untier zu verteidigen, drängte sich die kleine Gruppe der geflohenen Nebelelfen auf der Felsplatte zusammen. Die wenigen, die ein Schwert besaßen, hatten sich in einem schützenden Halbkreis vor die Unbewaffneten gestellt. Ein knappes Dutzend blitzender Klingen schimmerte im Mondlicht, während die Elfen das geflügelte Untier nicht aus den Augen ließen, das vor ihnen auf dem Steg kauerte und auf einen günstigen Augenblick zum Angriff wartete.
»Gibt es Hoffnung?« Fedeon, der dicht an den Felsen auf dem Boden kauerte, blickte sich furchtsam zu Shari um, die auf Naemys Geheiß hin Glamourons Platz an der Seite
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