Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Naemy, und sie hatte für ihn geschwärmt, seit sie ihm das erste Mal begegnet war -damals, als sie noch jung, das Land noch friedlich und die Zeit der Finsternis noch fern gewesen waren. Zunächst hatte er sie nicht beachtet, doch im Lauf der Zeit waren sie sich näher gekommen, und schließlich war zwischen ihnen jenes zarte Band entstanden, das die Menschen Liebe nannten.
Aber Glamouron hatte sich nicht binden wollen. Er empfand große Zuneigung für Naemy, doch er liebte auch seine Freiheit und war nicht bereit gewesen, das Fliegen und den Kurierdienst dafür aufzugeben. Naemy hatte anfangs sehr darunter gelitten, aber sie hatte es hingenommen aus Furcht, ihn sonst ganz zu verlieren. Um zu verhindern, dass er sich zwischen ihr und seiner Berufung entschied, hatte sie die Liebe zu Glamouron geheim gehalten und die vielen einsamen Mondläufe, die er nicht in Numark geweilt hatte, in stummem Leid ertragen.
Der Angriff An-Rukhbars hatte ihrer Liebe schließlich ein grausames Ende bereitet. Wie so viele andere Angehörige des Volkes der Nebelelfen war Glamouron in der verlustreichen Schlacht um Nimrod getötet worden. Der Schmerz über den Verlust des geliebten Gefährten hatte Naemy endlose Sommer lang wie ein düsterer Schatten begleitet.
Als die Finsternis durch Sunnivah besiegt worden war und die überlebenden Elfen in die Sümpfe von Numark zurückgekehrt waren, hatte sie sich keinen Gefährten mehr gesucht, gerade so, als wäre ihre Fähigkeit zu lieben zusammen mit Glamouron gestorben. Ganz bewusst hatte sie viele Sommer später einen Elfen als Vater für Tabor gewählt, der nicht in den Sümpfen von Numark gelebt, sondern ein ungebundenes Leben geführt hatte. Er hatte um ihr Verlangen nach einem Kind gewusst, und auch, dass Naemy ihn nicht als Lebensgefährten für sich hatte haben wollen, und so hatte er eingewilligt, so lange ihr Lager zu teilen, bis sich ihr Wunsch erfüllt hatte. Nach Tabors Geburt waren er und Naemy eigene Wege gegangen und sich nur noch selten begegnet. . .
Shari schluchzte laut auf, und das Geräusch brachte Naemy in die Gegenwart zurück. Sie holte tief Luft und versuchte das traurige Gefühl abzuschütteln, das die schmerzlichen Erinnerungen hinterlassen hatten. Obgleich es ihr nicht ganz gelang, erhob sie sich und trat zu ihrer Schwester. Schweigend kniete sie sich neben Shari ins Gras, legte ihr tröstend den Arm um die Schultern und hielt sie fest, bis die ärgsten Tränen versiegten. Als das Schluchzen leiser wurde, legte sie ihr sanft die Hand unter das Kinn und bedachte sie mit einem langen, traurigen Blick. »Glaub mir, ich weiß genau, wie du dich jetzt fühlst«, sagte sie leise. »Mir erging es nicht anders, als die Göttin mir die Aufgabe erklärte. Doch wenn du ehrlich bist, weißt auch du, dass wir nicht eingreifen können. Du und ich dürften nicht einmal hier sein. Wir sind jetzt Fremde in dieser Welt und gehören nicht hierher. Dass wir trotzdem da sind, ist eine Gelegenheit, die wir nutzen müssen, um möglichst vielen Nebelelfen das Leben zu retten. So, wie ich dein Leben gerettet habe. Aber alle, die wir retten, dürfen nicht zurückkehren -niemals!« Naemy fasste Shari an den Schultern und sah ihr fest in die Augen. »Unsere Aufgabe ist es, einige der Brüder und Schwestern vor dem sicheren Tod zu bewahren. Allein diese Elfen sind es, die wir retten können. Nur wenn wir diese Regel beachten, kann sich das Rad des Schicksals ungestört weiterdrehen, und die Zukunft ist nicht in Gefahr. Ich verrate die Elfen nicht, bei den Toren, nein. Ich bin lediglich gekommen, um einige von ihnen zu retten, und nur wenn es uns gelingt, mit diesen wenigen Auserwählten das Ylmazur-Gebirge zu überqueren, gibt es Hoffnung für unser Volk - und für Thale.«
»Das Ylmazur-Gebirge ist unbezwingbar, das weißt du so gut wie ich«, erwiderte Shari trotzig.
»Noch nie ist es einem Elfen gelungen, auf die andere Seite zu gelangen. Im ewigen Eis der Gipfelregionen sollen so niedrige Temperaturen herrschen, dass wir jämmerlich erfrieren würden, sobald wir eine Rast einlegten. Selbst die Riesenalpe suchen diese lebensfeindliche Gegend nur dann auf, wenn sich ihre Zeit dem Ende zuneigt und sie spüren, dass sie bald sterben werden.« Sie lachte bitter. »Wie kannst du nur glauben, dass wir die Berge bezwingen werden? Das Einzige, was wir dort finden werden, ist der Tod.« Mit einer raschen Bewegung ergriff sie den Arm ihrer Schwester und hielt ihn fest. »Naemy, was du vorhast, ist
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