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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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war der Gehilfe des
Großinquisitors, ein Fanatiker, der überall Häresie und Spalterei
witterte. Außerdem saßen da noch die beiden Gegner des Bruders
Henry, die Verteidiger des Glaubens, die seine theologische
Abhandlung untersuchen und den Nachweis logischer Unrichtigkeit
erbringen oder aber einwenden sollten, daß sie sich gegen die
orthodoxen Lehren der Kirche richte. Gleichwohl waren diese
Verteidiger des Glaubens liebenswerte Männer. Peter von Chingforde
war stämmig und kräftig, und sein dunkles, bärtiges Gesicht
lächelte immer. Er war bodenständig und hatte einen ziemlich
unverblümten Humor, den er bei seinen subtilen und geschickten
Befragungen nicht erkennen ließ. Neben ihm saß, rothaarig und blaß,
der irische Dominikaner Niall von
Harryngton.    
    Der Ire sah den Prior jetzt von der
Seite an und summte eine Hymne, dabei trommelte er einen kleinen
Wirbel auf die Tischplatte. Der Prior lächelte matt. Er wußte, daß
Bruder Niall stets ungeduldig war und jetzt zur Tagesordnung
zurückkehren wollte, aber es gab andere, dringlichere
Angelegenheiten - nicht nur Brunos Tod und Alcuins Verschwinden,
sondern allgemeine Klosterangelegenheiten, und insbesondere die
nachdrücklichen Bitten des Subsakristans Bruder Roger. Der Prior
seufzte. Er mußte dem Mann wirklich ein wenig Zeit gewähren; aber
Roger, ein Laienbruder, der Jahre zuvor der Inquisition in die
Hände gefallen war, als er in einer Gemeinde außerhalb von Paris
diente, war gebrochen im Geiste, schwach an Verstand und voller
Angst vor William de Conches und seinem tückischen Gehilfen
Eugenius. Mit schmalen Augen musterte Anselm die beiden; sie
steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, und er überlegte, ob er
sie dem Generalkapitel in Rom melden sollte. Gewiß, der Psalmist
sang: »Der Eifer für dein Haus verzehrt mich.« Aber der
Enthusiasmus und der Eifer, mit denen dieses kostbare Paar jegliche
Ketzerei verzehren wollten, würde womöglich jedermann mit
verschlingen. Er blickte starr auf die Tischplatte. Bruder Henry
saß mit gespreizten Händen da und wartete, daß die Debatte ihren
Fortgang nähme. »Pater Prior«, sagte jetzt Bruder Niall, »wir haben
eine Pause gemacht, haben die None gesungen, gegessen und
getrunken. Sollten wir jetzt nicht
fortfahren?«   
    Seine Frage löste vielstimmigen
Beifall bei seinen Kollegen aus. Der Prior nickte und winkte Bruder
Henry zu. Der junge Dominikaner lächelte und strich mit den
Fingerspitzen über die Tischplatte.
    »Pater Prior«, Bruder Henry sprach
leise, aber sehr deutlich, »meine Grundthese ist folgende:
Allzusehr betont man die Tatsache, daß Christus ein Mensch wurde,
um uns von unseren Sünden zu erlösen.« Er hob eine Hand. »Wenn aber
der ehrwürdige Aquinas recht hat mit seiner Studie über die
göttliche Natur, so ist Gott das ›Summum Bonum‹, das Höchste Gute.
Wie kann aber das Höchste Gute, die Göttliche Schönheit, sich durch
die Sünde zum Handeln bewegen lassen? Überdies« - Bruder Henry sah
jetzt William de Conches an -, »wenn Gott allmächtig ist, warum
konnte Er uns dann nicht durch eine einfache Verfügung von der
Sünde erlösen?«
    Der Prior klopfte auf den Tisch.
»Bruder Peter, Bruder Niall, was antwortet Ihr darauf?«
    Bruder Peter gluckste und grinste
ihn an. »Wir versuchen nicht, darauf zu antworten, denn Bruder
Henry spricht die Wahrheit. Gott ist das Höchste Gute, die
Göttliche Schönheit, und er ist allmächtig. Eine solche These
fechten wir nicht an.«
    Die beiden Inquisitoren reckten die
Hälse wie Falken und warteten darauf, daß Bruder Henry fortfuhr.
Der Prior war plötzlich sehr müde. »Wir können nicht fortfahren«,
teilte er seinen verblüfften Kollegen mit.
    »Wie meint Ihr das?« schnarrte
William de Conches. »Pater Prior, wir haben uns hier versammelt, um
über bestimmte Dinge zu debattieren und zu diskutieren. Hier geht
es um die Reinheit der kirchlichen Lehre.«
    »Nein, Bruder William«, fauchte der
Prior. »Hier geht es um Leben und Tod. Bruder Bruno kam unter
mysteriösen Umständen ums Leben. Manchmal fürchte ich, er könnte
ermordet worden sein.«
    Seine Sätze riefen Ausrufe der
Überraschung hervor. »Und Ihr glaubt, Alcuin war der Täter und hat
sein Heil in der Flucht gesucht?« erkundigte Eugenius sich
seidenweich. »Nein. Alcuin ist kein Mörder. Ich habe Angst um ihn.
Ihr bezichtigt ihn des Mordes und der Flucht, Eugenius. Woher
wissen wir, daß er überhaupt noch lebt?«
    »Das ist doch lächerlich!«

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