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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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schwarze Zähne, und seine Augen waren schmal vor Wut. Der
Priester hockte sich oben an der Treppe nieder.
    »Ich werde jetzt die Augen
schließen«, sagte er leise, »und ein Ave Maria sprechen. Wenn ich
bei den Worten ›Jetzt und in der Stunde unseres Todes‹ angekommen
bin, werde ich die Augen wieder öffnen. Und wenn du dann noch hier
bist, dann werde ich dich grün und blau prügeln und auf einen
Misthaufen werfen.«
    Athelstan war noch nicht bei
»Heilige Maria« angekommen, als er mit einem halbgeöffneten Auge
sah, daß der Ablaßhändler davonrannte wie ein Hase. Athelstan
richtete sich auf und starrte Watkin und Pike an, die in der
Kirchentür standen. »Wenn ihr so etwas noch einmal zulaßt«, sagte
er leise, »dann mögt ihr weiterhin meine Pfarrkinder sein, aber
meine Freunde seid ihr nicht mehr.«
    Langsam kehrte er zu seinem Haus
zurück, schloß die Tür und legte sich auf das Bett. »Wenn es einen
Gott im Himmel gibt«, sagte er leise, »dann wird die Wahrheit doch
sicher herauskommen, oder?«
    *
    Am nächsten Morgen war es um St.
Erconwald ein bißchen stiller, nachdem Athelstan am Tag zuvor
dermaßen aus der Haut gefahren war. Die Wahrheit kam nicht, wohl
aber Cranston und der Pater Prior. Athelstan hatte soeben an seinem
Behelfsaltar die Messe gelesen, sich davon überzeugt, daß die
Arbeiter gut vorankamen, Philomel gefüttert war, und nahm zum
Frühstück soeben seine letzte Schale Suppe und einen Becher
verdünnten Wein zu sich, als Cranston an die Tür hämmerte und
sofort hereingerauscht kam wie der Heilige Geist.
    »Morgen, Mönch!« donnerte er, und
hielt in der einen Hand seinen wunderbaren Weinschlauch.
Unaufgefordert füllte er Athelstans Becher, nahm einen großzügigen
Schluck, rülpste und bat den lächelnden Pater Prior einzutreten.
Athelstan stand auf.
    »Guten Morgen, Pater. Wollt Ihr Sir
John und mir trotz der frühen Stunde bei einem Glas Wein
Gesellschaft leisten?« Prior Anselm lächelte Cranston bewundernd
an. »Warum nicht?« sagte er leise. »Wahrlich sagt ja der Psalmist,
der Wein erfreut des Menschen Herz, und der heilige Paulus schreibt
in seinem Brief an Timotheus: ›Trinke etwas Wein für den
Magen.«‹
    Cranston rülpste wieder und strahlte
den Prior an. »Ist das wahr?« rief er. »Natürlich, Sir
John.«
    »In diesem Fall«, erklärte Cranston,
»ist der heilige Paulus mein Lieblingsheiliger. Das muß ich Lady
Maude erzählen. Der Brief an Unsere Liebe Frau?«
    »Nein, Sir John«, sagte Athelstan.
»Der Brief an Timotheus. Pater Prior, setzt Euch doch. Ihr, Sir
John - einen Becher aus der Speisekammer?«
    Sie ließen sich nieder; Cranston
strahlte, und Pater Prior nippte behutsam an seinem Zinnbecher.
Athelstan rieb sich das Gesicht.
    »Du siehst müde aus, Mönch«, stellte
Cranston fest. Athelstan deutete auf die Tür. »Ihr kennt den Grund,
Sir John. Das verfluchte Skelett und, was noch schlimmer ist, die
verfluchte Dummheit der Pfarrkinder: Sie sind so leichtgläubig, daß
man ihnen Schwarz für Weiß verkaufen könnte, wenn man seine Worte
nur mit dem richtigen Honig beträufelte.«
    »Ja, davon habe ich gehört«, sagte
der Pater Prior. Sir John rutschte auf seinem Schemel hin und her.
»Ich tue ja, was ich kann!« beteuerte er. »Ich habe Schreiber, die
in den Akten stöbern, und Büttel, die im Dreck von Whitechapel den
Aufenthalt von Master Fitzwolfe herauszufinden suchen, aber bis
jetzt - nichts.« Er trank aus seinem Weinschlauch. »Und die
scharlachrote Kammer?« fragte er mit schmalen Augen.
    »Nichts, Sir John, überhaupt
nichts.«
    »Die scharlachrote Kammer?« fragte
der Prior.
    Cranston lachte gezwungen. »Ein
kleiner Scherz zwischen uns, Pater Prior. Ein Rätsel, das dieser
gute Priester hier und   
    ich zu lösen
versuchen.« 
    »Ich bin auch wegen eines Rätsels
hier«, sagte der Prior und sah Athelstan an. »Sir John hat dir
vielleicht schon erzählt, was sich in Blackfriars zugetragen hat.
Jetzt ist noch Schlimmeres geschehen.« Er stellte seinen Becher
hin. »Bruder Bruno ist auf geheimnisvolle Weise gestorben. Alcuin,
der Sakristan, ist immer noch verschwunden. Roger, der Subsakristan
… du erinnerst dich vielleicht an ihn, Bruder?« Athelstan
nickte.
    »Nun, er brabbelt Unsinn. Die
Inquisitoren glauben, es ist Ketzerei im Spiel. Und jetzt…« Mit den
Fingerspitzen schob er seinen Weinbecher hin und her. »Bruder
Callixtus, der Bibliothekar, arbeitete gestern noch spät abends im
Scriptorium - Gott weiß, warum. Er suchte etwas in

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