Die Sakristei Des Todes
des Sheriffs Bestrafungen ausführten.
Ein nackter Mann stand bis zum Kinn in einem Faß mit Pferdepisse.
Der roh bekritzelte Zettel, der ans Holz geheftet war, offenbarte
ihn als einen Brauer, der sein Bier gepanscht hatte. Die größte
Zuschauermenge aber umstand eine alte Vettel, der man die
zerlumpten Röcke über den Kopf gebunden hatte, damit ein
Gerichtsdiener ihr mit einem Stab den schlaffen, grauen Hintern
versohlen konnte: die Strafe für die Mißhandlung einiger Kinder.
Die Zuschauer verspotteten die unglückliche Frau, der man die Augen
verbunden hatte, und bewarfen sie mit Kot und Abfall. Der Aufruhr
legte sich, als eine Beerdigungsprozession näher kam, angeführt von
einem Priester, der ein Kreuz trug und
sang:
»Requiem dona eis.« Die meisten Leidtragenden waren betrunken, und der
Sarg dümpelte auf den Schultern der Träger dahin wie ein Korken auf
dem Wasser; er schwankte so heftig, daß der Deckel sich löste, der
grauweiße Arm des Leichnams herausbaumelte und auf und ab
fuchtelte, als wolle der Verstorbene den Umstehenden zum Abschied
zuwinken.
Athelstan und Cranston stiegen ab
und führten ihre Pferde an den Karren vorbei, die über das
Kopfsteinpflaster zum Hafen rumpelten. Sie bogen in die Beck Street
ein und wurden dort unter die Traufe eines Hauses gedrängt, um
Platz für eine seltsame Prozession zu machen: Mehrere Männer mit
Kapuzen und Gesichtsmasken, aber nackt bis zur Taille, bewegten
sich langsam die Straße hinunter. In leierndem Ton sangen sie den
»Miserere«-Psalm, und andere peitschten ihnen dabei den Rücken, bis
die Haut blaurot aufplatzte.
»Flagellanten!« wisperte Athelstan.
»Man sieht sie in Paris, in Köln und in Madrid, und jetzt auch in
London. Sie wandern von Stadt zu Stadt, singen ihre Psalmen und
geißeln einander zur Buße für ihre Sünden.«
Cranston rülpste nur laut. »Wie um
Gottes willen«, knurrte er, »kann so etwas dem lieben Gott
gefallen?« Athelstan schüttelte nur stumm den Kopf. Die
Flagellanten bogen um die Ecke, und das Klatschen der Geißeln und
die frommen Gesänge verhallten allmählich. Athelstan und Cranston
näherten sich jetzt Blackfriars; schon sah man die großen und
kleinen Türme des Klosters über den roten Ziegeldächern der Häuser.
Eine Seitenstraße wurde von Soldaten in der Livree der City
abgesperrt; sie waren bewaffnet und drückten sich Schwämme vor Mund
und Nase. Athelstan spähte in die Straße hinein, und ein Schauer
überlief ihn. Die Straße lag verlassen. Alle Türen waren
verschlossen und verriegelt, und die Fensterläden fest verrammelt.
Das bunte Schild vor einer Taverne klapperte gespenstisch und
schwang seufzend vor dem Eingang zur leeren
Schankstube.
»Die Pest!« sagte Cranston und stieg
auf sein Pferd. »Gott schütze uns, Bruder, wenn die noch mal
wiederkommt.« Athelstan schlug das Kreuzzeichen an der Straßenecke
und folgte Cranston auf den großen freien Platz vor Blackfriars.
Vor ihnen erhoben sich das mächtige Tor und die hohe Mauer, die das
große Kloster umgab. Cranston riß heftig am Glockenseil; ein
Laienbruder erschien und geleitete sie über den gepflasterten Hof
zu einem Stallknecht, zahnlos, mit triefenden Augen und dem
häßlichsten Furunkel im Gesicht, das Athelstan je gesehen hatte;
der Mann murmelte etwas Unverständliches
und führte ihre Pferde weg. Als der Laienbruder sie in die kühlen,
luftigen Gänge führte, lächelte Athelstan. Es war ein merkwürdiges
Gefühl, wieder hier zu sein. Hier hatte er sein Noviziat
abgeleistet. Er schaute in einen steinernen Korridor hinein und
blieb stehen, als könne er seinen eigenen Geist dort sehen, einen
jungen Mann, der sich in finsterer Nacht durch diese Korridore
schlich, durch ein offenes Fenster in den mondbeschienenen Garten
hinaus und über die Mauer kletterte, hinter der sein jüngerer
Bruder auf ihn wartete, um mit ihm in den Krieg des Königs zu
ziehen. Armer Francis, verscharrt auf einem französischen
Schlachtfeld!
»Es tut mir leid«, flüsterte
Athelstan den Stäubchen zu, die im strahlenden Licht tanzten, das
durch das Fenster hereinfiel. »Es tut mir so leid!«
Der Laienbruder sah Athelstan
neugierig an. »Fehlt Euch etwas?« fragte der Mann.
Cranston kniff die Augen zusammen
und schüttelte den Kopf, als könne er Athelstans Gedanken lesen.
»Es ist nichts«, brummte er. »Mein guter Freund hat einen Geist
gesehen.«
Der verwunderte Laienbruder führte
sie weiter durch den sonnengesprenkelten, von Bogengängen
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