Die Sakristei Des Todes
ist,
Athelstan.« Cranston blies die Wangen auf. »Lady Maude meckert
nicht, aber ich kann diese langen, traurigen Blicke nicht
aushalten. Bruder« - er schaute Athelstan flehentlich an -, »das
Problem muß gelöst werden.«
Athelstan wandte ihm den Rücken zu,
damit Cranston nicht die Verzweiflung in seinem Gesicht sehen
konnte. »Skelette, mysteriöse Todesfälle und ein Meuchelmörder im
Kloster!« Athelstan schloß die Augen. »Oh, gütiger Gott, hilf
uns!«
Er machte sich in der Küche zu
schaffen, bis es an der Tür klopfte.
»Herein!« rief er.
Benedicta trat ein; ihr schönes
Gesicht war jetzt ernst und besorgt. Sie nickte Cranston
zu.
»Was ist passiert, Bruder? Warum
schickt Ihr nach mir?« Athelstan führte sie zu einem Schemel und
setzte sich dann neben sie.
»Benedicta, der Brief ist unterwegs,
aber wir müssen auf Antwort warten. Ich muß die Pfarrei für eine
Weile verlassen und nach Blackfriars gehen.« Sanft berührte er ihr
Handgelenk. Cranston hustete verlegen und schaute weg. »Hör zu,
Benedicta«, fuhr Athelstan fort. »Wenn ich fort bin, berufst du für
heute abend eine Gemeinderatssitzung ein.« Er nahm seinen
Schlüsselring vom Gürtel. »Ihr könnt euch hier treffen. Du mußt
versuchen, sie zur Vernunft zu bringen. Kümmere dich um die Kirche.
Beaufsichtige die Arbeiter; sie müßten in ein paar Tagen fertig
sein. Füttere Bonaventura. Und, um Gottes willen, behalte Cecily im
Auge.« Er grinste.
»Sie ist für Watkin und Pike noch
wichtiger als dieses Skelett.«
Benedicta nahm die Schlüssel. »Seht
Euch vor, Pater«, sagte sie leise. »Ihr werdet uns fehlen.« Und sie
verschwand so lautlos, wie sie gekommen war.
»Ein braves Weib, das«, sagte
Cranston spöttisch. »Ein wahrhaft gesundes Weib.« Taumelnd kam er
auf die Beine, und sein mächtiger Wanst schwankte, während er
seinen benebelten Verstand darauf konzentrierte, den Stopfen wieder
in den Weinschlauch zu bringen. »Jetzt ein gutes Schläfchen«,
brummte er, »und mir geht's wieder bestens.« Athelstan räumte eilig
die Becher ab. Er wechselte die Kutte, wusch sich und holte seinen
verschlissenen Sattel mit den Ledertaschen für Schreibtablett,
Pergament, Federn und Tintenhorn herunter. Dann sattelte er den
widerstrebenden Philomel, für den ein idealer Tag des Schlummerns
zwischen den Mahlzeiten auf diese Weise abrupt zu Ende ging. Binnen
einer Stunde führte Cranston, der abwechselnd schnarchend, rülpsend
und furzend im Sattel saß, seinen »geliebten Schreiber«, wie er
Athelstan nannte, hinunter zur London Bridge.
FÜNF
Sie mußten sich mühsam den Weg auf
die andere Seite bahnen, denn die Karren, mit denen die Feldfrüchte
zu den Märkten geliefert worden waren, verließen jetzt die Stadt,
bevor die Abendglocke geläutet wurde. Auf dem Fischmarkt in der
Bridge Street stank es nach ranzigen Heringen. Athelstan sah ein
paar der faulen Fische, die die Händler immer noch loszuschlagen
versuchten, und gelobte sich stillschweigend, vor den
Fischpasteten, die in den Garküchen und Schenken serviert wurden,
auf der Hut zu sein. An einem so schönen Tag war ganz London auf
der Straße. Die Reichen in Kleidern aus rotbrauner Atlasseide
drängten sich Schulter an Schulter mit Straßenjungen, deren dünne
Leiber von schmutzigen, zerfetzten Lumpen nur notdürftig bedeckt
waren. Ein Schar Prostituierter mit frisch geschorenen Schädeln
wurde von einem Dudelsackpfeifer zu dem runden Gebäude namens »Tun«
in der Cheapside geführt, wo sie zur Schau gestellt werden würden.
Die beiden bogen nach links in die Ropery ein, wo die
Verkaufsstände mit Schnüren, Seilen, Tauen und Zwirnen aller Art
behängt waren, manche bunt gefärbt, andere in rostbraunen Rollen,
die von Maurern und Bauhandwerkern gekauft wurden. Lehrjungen
liefen umher und hielten Ausschau nach Kundschaft; sie griffen
sogar in das Zaumzeug der Pferde, aber ein Blick auf den
rotgesichtigen Cranston und den dunkel verhüllten Priester genügte,
und sie wandten sich ab.
Der Anblick der Seile für die
Bauleute erinnerte Athelstan an die Steinplatten in der Kirche und
an das rätselhafte Steinmetzzeichen. Er hatte seine Gemeinde
aufgefordert, sich nach einem ähnlichen Zeichen umzusehen, aber
niemand kannte es. Irgend etwas, dachte Athelstan, mußte der Mann,
der die Steinplatten damals verlegt hatte, über das Skelett wissen,
das darunter lag.
Cranston geriet in Bewegung. »Sieh
dir das an«, sagte er. Sie hatten an der Ecke der Vintry
haltgemacht, wo die Männer
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