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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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sich in der ganzen
Stadt. Wenn du nicht aufpaßt, wird der Bischof persönlich
eingreifen, und du weißt, was dann passiert.«
    Athelstan schloß die Augen und
sprach ein stummes Gebet. O ja, ich weiß, was dann passiert, dachte
er. Die Leute des Bischofs werden das Skelett holen und in
irgendeine Kirche überführen, oder sie werden es zerbrechen und die
Teile als Reliquien verkaufen; derweil wird man die Türen von St.
Erconwald für die Dauer einer Untersuchung versiegeln. Und die kann
Monate dauern.
    »Dieses erste Wunder«, sagte Anselm,
»bist du sicher, daß es echt war?«
    Athelstan verzog das Gesicht. »Ein
Arzt hatte die Haut behandelt, und der Mann, ein Bürger von gutem
Ruf, behauptet, sein Arm sei nun geheilt.«
    Athelstan war mit seinen Gedanken
woanders, als er sich von Prior Anselm verabschiedete und zum
Gästehaus hinüberging; Cranston trottete hinter ihm her. Der
Dominikaner packte seine Satteltasche; er dachte immer noch an das,
was der Prior gesagt hatte. Unterdessen flatterte der Coroner um
ihn herum wie ein gemästetes Huhn. »Wieso willst du weg, Bruder?
Weshalb dorthin zurück?«    
    »Weil es hier im Augenblick nichts
zu tun gibt, Sir John, und ich dort etwas zu erledigen habe.« Er
sah Cranston scharf an. »Ich schlage vor, Sir John, daß auch Ihr
nach Hause geht, zu Lady Maude. Sicher wartet sie schon auf Euch.«
Cranston stöhnte wie ein auf frischer Tat ertappter unartiger
Junge. »Beim Hintern einer Fee!« flüsterte er. »Wenn Domina Maude
von meiner Wette erfährt, wird sie mir die Ohren
abschneiden.«
    Athelstan sah ihm ins Gesicht.
»Früher oder später, Sir John, werdet Ihr Euch ihrem Zorn stellen
müssen. Dann doch lieber früher. Kommt.«
    Sie schickten nach Norbert, damit er
das Gästehaus verriegelte. Sie beschlossen, nicht zu Pferde in die
Stadt zurückzukehren, sondern mit einem Ruderboot von East
Watergate zur London Bridge zu fahren. In der Knight Rider Street
und den Gassen, die davon abgingen, herrschte kaum noch Betrieb.
Lehrlinge mit schlaftrunkenen Augen machten die Verkaufsstände
bereit; die anderen Bewohner schlummerten noch, ehe der neue
Arbeitstag begann. In East Watergate indessen waren die Männer des
Sheriffs schon mit der Hinrichtung von vier Flußpiraten beschäftigt
- grauhaarige, wettergegerbte Männer, die hastig die Leitern zur
wartenden Schlinge hinaufgestoßen wurden. Athelstan und Cranston
schauten weg, als ein berittener Scherge den Befehl gab, die
Leitern umzuwerfen, und die Piraten in der Luft baumelten und
tanzten, als die Schlingen sich zuzogen. Athelstan schloß die Augen
und murmelte ein Gebet für ihre Seelen. Die Hinrichtung löste
bittere Erinnerungen an das gespenstische Bild aus, das er am
Morgen im Obstgarten von Blackfriars gesehen hatte. Er drehte sich
zur Reihe der schwarzen Galgen um, deren Arme auf den Fluß
hinauswiesen. Er hörte Geschrei, als Verwandte der Flußpiraten
herbeigelaufen kamen, sich mit einem Satz an die immer noch
zappelnden Leiber hängten und sie grob herabzogen, bis mehrfaches
scharfes Knacken anzeigte, daß ihre Hälse gebrochen waren, und die
Leichen endlich bewegungslos dahingen. Die Leute des Sheriffs
protestierten zwar, aber sie taten nichts, um diesen Gnadenakt zu
verhindern. Die Schergen verkündeten, daß Gerechtigkeit geschehen
sei, und zogen ab.   
    »Endlich«, seufzte Cranston, »werden
wir ein Boot bekommen können.«
    Die Schiffer und Bootsleute, die den
Verkehr auf dem Fluß beherrschten, hatten sich in kleinen Gruppen
zusammengefunden und zugesehen, wie die Männer hingerichtet wurden,
die ihr Geschäft attackiert hatten. Jetzt schlenderten sie zu der
Treppe an der Kaimauer zurück. Cranston mietete das schnellste, von
vier Männern geruderte Boot, und bald waren sie auf der Flußmitte
und glitten durch den Nebel zum Ufer von Southwark hinüber. Als sie
an einem der großen Mistkähne vorbeikamen, die Berge von Müll,
Tierkadavern und menschlichem Abfall in die Mitte des schnell
fließenden Flusses kippten, mußten sie anhalten und Mund und Nase
bedecken. Andere Silhouetten zogen vorüber: eine Barke mit
Soldaten, die einen Gefangenen zum Tower brachten, ein
gascognisches Weinschiff, das langsam flußaufwärts in Richtung
Rotherhithe fuhr. Bei Dowgate begegnete ihnen ein großes,
goldverziertes Ruderboot voll ausgelassener Leute, junge, in Seide
gehüllte Höflinge mit ihren lärmenden Huren, die sich in die Stadt
zurückrudern ließen, nachdem sie die Nacht hindurch in den
Bordellen von

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