Die Sakristei Des Todes
Southwark gefeiert hatten.
An einem kleinen Kai am Fuße der
Priorei von St. Mary Overy und den zinnenbewehrten Türmen und
Mauern des Stadtpalais des Bischofs von Winchester gingen Athelstan
und Cranston an Land. Cranston hatte schließlich doch beschlossen,
Athelstans Rat zu befolgen und heim zu Lady Maude zu gehen, aber er
bestand darauf, daß sein Gefährte ihn begleitete.
»Weißt du, Bruder, wenn du dabei
bist, läßt sich der Zorn der Domina vielleicht im Zaume halten.«
Athelstan nickte wohlweislich. Das wird ein Anblick werden, dachte
er. Lady Maude, klein, zierlich und sanft, stand in dem Ruf, ein wildes Temperament zu haben. Sie
wanderten durch ein Labyrinth von stinkenden Gassen, vorbei am
Stadthaus des Abtes von Hyde und an einem kleinen Abwasserkanal
entlang, wo ein gelber, klapperdürrer Hund geschäftig die Geschwüre
am Bein eines Bettlers leckte. Dann erreichten sie den Platz vor
der Kirche von St. Erconwald. Athelstan vergewisserte sich, daß
sein Haus gut verschlossen war, und sah mit Verzweiflung, daß
Ursulas Sau wieder von seinem Kohl gefressen hatte. Er nahm einen
zweiten Schlüsselbund aus seiner Truhe und schloß die Kirche auf,
denn die Arbeiter waren noch nicht da. Das Kirchenschiff lag immer
noch voller Staub, aber die Männer waren fleißig gewesen, denn der
Chor erstrahlte im Glanz weißer, ebenmäßig verlegter Steinplatten.
Entzückt klatschte Athelstan in die Hände.
»Wunderschön!« rief er. »Der Lettner
wird wieder aufgestellt, und dann auch der Altar. Meint Ihr, daß es
gut aussehen wird, Sir John?«
Cranston hockte an einer Säule und
nickte geistesabwesend. »Ein wahres Juwel«, brummte er. »Aber hast
du schon gesehen, was verschwunden ist?« Athelstan kam zu ihm und
schaute ins Seitenschiff. »Der Sarg!« schrie er. »Der verfluchte
Sarg ist weg!«
»Keine Sorge, Pater.« Crim trat
herein, gefolgt von Bonaventura mit hochgerecktem Schwanz. Der
Lausbub kam tanzend auf ihn zu, und der Kater miaute erfreut, als
er seinen fetten Freund, den Coroner, erblickte. Während Sir John
mit dem Fuß aufstampfte und den Kater leise verfluchte, berichtete
Crim, daß sein Vater den Sarg mitsamt den heiligen Gebeinen in das
kleine Totenhaus auf dem Gemeindefriedhof geschafft
hatte.
»Wißt Ihr, Pater, die Wachtmeister,
die der Lord Coroner geschickt hat, haben die Leute verscheucht.
Und Pike, der Grabenbauer, meinte, wenn schon die Kirche
verschlossen sei, so sei doch das Beinhaus offen. Also haben sie
den Sarg dahin gebracht.«
Athelstan schluckte seine Flüche
herunter, stapfte zur Tür hinaus und über den zugewachsenen
Friedhof zum Totenhaus, das an der gegenüberliegenden Mauer stand.
Es war ein kleines, viereckiges Gebäude mit Strohdach und einem
winzigen, mit einem Laden verschlossenen Fenster. Pike, der
Grabenbauer, lag fest schlafend vor der Tür, aber Athelstan sah,
daß der Strom der Pilger sich einen Trampelpfad quer über den
Friedhof zu dem kleinen Schuppen gebahnt hatte. »Das wird ein Spaß
werden«, murmelte er. Als er vor dem schlafenden Pike stand, holte
er mit dem sandalenbeschuhten Fuß aus und trat gegen die Sohle von
Pikes schwerem Stiefel, so daß der Grabenbauer erschrocken
hochfuhr. Athelstan musterte seine glasigen Augen, das unrasierte
Gesicht und den leeren Weinschlauch in der Hand. »Oh, Pater, guten
Morgen.«
Athelstan hockte sich neben ihn.
»Und was machst du hier?« fragte er zuckersüß.
Pike rieb sich die Augen und wich
wachsam zurück. »Die Reliquie bewachen, Pater.«
»Und wer hat gesagt, du sollst den
Sarg aus der Kirche holen?«
»Watkin. Es war seine
Idee.«
»Jawohl, Pater!« rief eine Stimme
hinter einem gemeißelten Grabstein. »Es war Watkin.«
Cecily, die Kurtisane, erhob sich
wie eine Erscheinung; ihr Haar war zerzaust, ihr Gesicht vom Schlaf
zerknittert, und sie hatte einen dicken Mantel um ihr fleckiges,
scharlachrotes Kleid gewickelt.
Athelstan sah erst sie, dann Pike an
und bemühte sich, die Wut im Zaum zu
halten, die in ihm hochkroch.
»Ihr wart die ganze Nacht hier?
Zusammen? Dies ist ein Friedhof! Ein
Gottesacker!« Er richtete sich auf. »Kennst du die Bibel nicht,
Pike? Dies ist das Haus Gottes, und keine Abdeckerei!«
Athelstan ging zur Tür des
Beinhauses. »Ich schließe auf, Pater.«
»Hau ab!« schrie Athelstan und trat
wütend unter den Türriegel.
»Oh, Pater, nicht!« heulte
Cecily.
Athelstan trat noch einmal zu, und
die Tür flog auf, just als Cranston auf der Flucht vor dem
aufmerksamen Bonaventura über
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