Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
sehr wohl.
Athelstan sah, daß es tatsächlich so war: Sie hatte den
angespannten, bangen Blick verloren, ihr schwarzglänzendes Haar
unter dem zarten weißen Schleier war duftig, und er bewunderte ihr
enganliegendes Kleid aus rosaroter Atlasseide, das am Hals von
einer herzförmigen Brosche verschlossen wurde. Benedicta zwinkerte
Cranston zu und warf Athelstan einen Blick
zu.   
    »Ihr wart an der Kirche,
Pater?«
    »Ja, und ich habe Pike ordentlich
die Meinung gesagt. Cecily hat Reißaus genommen, bevor ich auch ihr
ein paar Wahrheiten verpassen konnte. Benedicta, ich hatte dir doch
die Verantwortung übertragen.«
    Die Frau hob anmutig die Schultern.
»Ihr kennt doch Watkin, Pater. Er hat ein Maul wie eine Trompete.
Zumindest habe ich sie aus der Kirche heraushalten können. Was
hätte ich tun sollen?« fragte sie unschuldig. »Mich zu Cecily auf
den Friedhof legen?«
    Cranston brüllte vor Lachen, und
Athelstan lächelte. »Gibt es schon Antwort auf den Brief?« fragte
sie hoffnungsvoll.
    Cranston bedeckte ihre zierliche
Hand mit seiner mächtigen Pranke. »Keine Angst«, vertraute er ihr
sanft rülpsend an, »ich habe den schnellsten Kurier beauftragt. Er
soll von Dover geradewegs nach Boulogne reiten und hat den Befehl,
auf Antwort zu warten.«
    Benedicta faßte einen seiner Finger
und drückte ihn fest. »Sir John, Ihr seid ein
Gentleman.«
    Cranston packte seinen Humpen und
schaute tief hinein, um seine Verlegenheit zu verbergen. »Und die
Sache in Blackfriars?« fragte sie. »Mord, Mylady«, antwortete
Cranston düster. »Blutiger Mord! Lautloser Tod! Aber ich habe ein
paar Theorien, wie mein Schreiber Euch nachher berichten wird.« Er
warf Benedicta einen mißtrauischen Blick zu; sie saß da und nagte
an der Unterlippe, während Athelstan plötzlich großes Interesse an
seinem Weinbecher zeigte.
    »Ich möchte dich noch sprechen,
Benedicta«, sagte Athelstan sanft, »bevor ich nach Blackfriars
zurückkehre. Der Sarg soll in die Kirche zurückgebracht werden und
dort bleiben. Heute ist Donnerstag. Am nächsten Dienstag werde ich
wieder da sein, damit ich noch vor Fronleichnam die Beichte hören
kann. Sag Watkin, ich wünsche, daß dann alles in Ordnung
ist.«
    »Und was noch?«
    Athelstan lehnte sich an die Wand.
»Ich habe nachgedacht über das, was der Pater Prior sagte, bevor
ich Blackfriars verließ. Er sprach von dem ersten Wunder. Weißt du,
ich denke, es wird Zeit, daß wir Raymond D'Arques einmal einen
Besuch abstatten. Kommt.« Er stand auf, Cranston packte seinen
Humpen und leerte ihn bis auf den letzten Tropfen. Athelstan
deutete mit dem Kopf zur Tür. »Vielleicht lichtet sich der Nebel in
mehr als einem Sinne.« D'Arques' Haus war ein zweistöckiges Gebäude
an einer Straßenecke, ein Fachwerkhaus mit rotem Ziegeldach,
kleinen Fenstern in beiden Geschossen und einem schmalen Durchgang
an der Seite. Athelstan ging den Gang hinunter und spähte über die
Pforte am Ende. Er sah in einen großen Hof, der leer war bis auf
ein paar Bettler, die dort kauerten. Verwundert kehrte er zur
Vorderseite des Hauses zurück und klopfte an die Tür. Cranston und
Benedicta standen hinter ihm. D'Arques' freundliche Frau öffnete
und begrüßte sie lächelnd.
    »Pater Athelstan!« Sie warf einen
raschen Blick auf Cranston und Benedicta.
    »Zwei Freunde«, erklärte Athelstan.
»Sir John Cranston, der Coroner der Stadt London, und Benedicta,
ein Mitglied meines Pfarrgemeinderates.«
    Die Frau wandte sich um und trat
zurück in den Schatten des Hauses.
    »Kommt herein«, sagte sie leise.
»Mein Mann ist bei der Arbeit. Ihr wollt ihn wegen des Wunders zu
St. Erconwald sprechen?«
    »Ja«, antwortete der Ordensbruder.
»Die Kunde davon hat sich in ganz Southwark verbreitet und sogar
die andere Seite des Flusses erreicht.«
    D'Arques saß in der kühlen, mit
Stein ausgelegten Küche; die auf dem Tisch verstreuten Münzen, die
Pergamentstreifen, Tintenhorn und Federkiel sowie der kleine
schwarzperlige Abakus ließen erkennen, daß er gerade mit seiner
Buchführung beschäftigt war. Als sie hereinkamen, schob er den
Schemel zurück, stand auf und lud sie ein, sich an den Tisch zu
setzen.
    »Bruder Athelstan, seid mir
willkommen.« Alle wurden einander vorgestellt; er gab Cranston die
Hand und nickte Benedicta höflich zu. Athelstan nahm Platz und sah
sich um. Die Küche war sauber und aufgeräumt. Von einem großen
Kessel auf dem kleinen Holzfeuer stieg köstlicher Duft auf.
D'Arques sah Athelstans Blick.

Weitere Kostenlose Bücher