Die Sakristei Des Todes
den Friedhof gelaufen kam und wissen
wollte, was los sei.
Athelstan schaute sich im Totenhaus
um. Der Sarg stand auf einem Tisch inmitten verblichener Blumen.
Jemand hatte ein rohes Holzkreuz an die Wand gehängt, und
Athelstans Wut wurde nur noch größer, als er sah, daß der Sarg
entweiht worden war.
»Sie fangen an, Holzsplitter zu
verkaufen!« zischte er. Er stürmte hinaus und hätte Cranston fast
über den Haufen gerannt. Cecily flüchtete wie ein bunter
Schmetterling auf das Friedhofstor zu, aber Pike wollte noch nicht
weichen. Athelstan packte den Kerl bei seinem Wams und zog ihn an
sich. »Hör zu, Pike, ich bin sehr böse über das, was ihr getan
habt. Dein Vater liegt hier begraben, sein Vater und dessen Vater
vor ihm, und viele andere Vorfahren unserer Pfarrei. Gute Männer,
fromme Frauen, arm, aber fleißig.« Mit einer energischen
Kopfbewegung deutete er hinter sich auf das Totenhaus. »Mit eigenen
Händen haben sie diesen Sarg gezimmert, das Holz gekauft, einen
Tischler bezahlt. Und du, Watkin, und all die anderen, ihr
mißbraucht ihn zu einem lächerlichen Mummenschanz.«
Pike erschrak angesichts der
ungewohnten Wut des Priesters und glotzte ihn mit offenem Maul an.
Athelstan ließ ihn los.
»Paß auf, Pike: In ein paar Tagen
komme ich wieder. Ich will, daß der Sarg dann wieder in der Kirche
steht, das Totenhaus verschlossen ist und diese Albernheit ein Ende
hat.« Er sah sich auf dem überwucherten Friedhof um. »Und Watkin
kannst du ausrichten: Ich wünsche diesen Friedhof aufgeräumt zu
sehen, das Gras gemäht, die Gräber gepflegt - oder ich werde ihm
persönlich etwas antun, woran er sich für den Rest seines
gottgegebenen Lebens erinnern wird. Hast du das
verstanden?«
Pike nickte ängstlich und stapfte
zur Pforte hinaus. Cranston schlug Athelstan auf die Schulter. »Gut
gemacht, Bruder! Du hättest dem Mistkerl noch in den Hintern treten
sollen.«
Athelstan setzte sich müde zwischen
die umgestürzten Grabsteine. »Sie meinen es ja gut, Sir John. Es
sind arme, einfache Leute, die hier eine Möglichkeit sehen, rasch
viel Geld zu verdienen. Ich hätte nicht die Geduld verlieren
dürfen.« Ein Rülpser war Cranstons Antwort.
»Crim!« rief Athelstan. »Ich weiß,
daß du dich da versteckst.« Der Bengel stand da wie ein Jagdhund
mit zitternden Flanken und blickte Athelstan unverwandt an. »Keine
Angst.« Athelstan lächelte. »Du bist ein guter Junge, Crim. Rasch,
bevor zuviel Verkehr auf der Straße ist: Lauf zu Lady Benedicta und
sage ihr, sie soll sich mit Sir John und mir in der Schenke ›Zum
Geschecktem treffen.« Der Junge verschwand mit weiten Sätzen wie
ein Greyhound im hohen Gras. Cranston faßte Athelstan beim Arm und
zog ihn sanft hoch, dann legte er dem Bruder wie ein Bär den Arm um
die Schultern. Athelstan roch den Weindunst in seinem Atem und
wußte gleich, daß Sir John irgendwo unter seinem voluminösen Mantel
den wunderbaren Weinschlauch
verwahrte.
»Für einen Pfaffen bist du ein
wackerer Kerl, Athelstan. Du hast Feuer im
Arsch, Stahl im Herzen und eine Zunge wie ein Rasiermesser.« Er
grinste boshaft und umarmte Athelstan wie eine Schraubzwinge. »Wenn
du kein Mönch wärst, dann wärst du ein guter Lehrling für das Amt
des Coroners.«
»Ihr seid ja guter Dinge, Sir
John.«
»Mir ist auch schon wohler«,
antwortete Cranston. »Ein Krug Ale und die Anwesenheit der schönen
Benedicta. Was kann man sich mehr wünschen?«
»Und Lady Maude?« fragte
Athelstan.
Cranston machte ein langes Gesicht.
»Bei den Eiern des Satans, Bruder! Jag mir keinen solchen Schrecken
ein!« Sie erreichten die Schenke und ließen sich an einem Tisch
nieder. Cranston war bei seinem zweiten Humpen Ale und zerriß mit
dicken Fingern das weiße, saftige Fleisch einer kleinen Wachtel,
als Benedicta hereinkam. Der Coroner brüllte nach einem Becher
Kräuterwein, lud sie ein, auf seinem Knie Platz zu nehmen, und
brüllte vor Lachen über die widerborstige Antwort der Frau, derweil
er Athelstan aus dem Augenwinkel boshaft anzwinkerte. Er wußte, der
Priester war ein guter und frommer Mann, aber seine Schwäche für
diese Frau faszinierte Cranston. Es war die einzige Gelegenheit,
bei der Athelstan je nervös wurde, diese ersten paar Augenblicke
einer Begegnung mit Benedicta, und auch jetzt war das so. Der
Bruder umsorgte die Frau wie ein liebeskranker Knabe und sorgte
dafür, daß sie es auch bequem hatte; Benedicta, eingeschüchtert von
soviel Aufmerksamkeit, murmelte, sie fühle sich
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